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Triesdorfer Tiger oder Ansbach-Triesdorfer Rind

 

Ursprünglich wurden in der Gegend von Ansbach fränkische Landschläge von unterschiedlichem Aussehen gehalten. Zumeist waren es kleine, rote Viehstämme, häufig mit Blesse. Daneben kamen auch braune Rinder vor und schließlich auch gelbe, die Vorläufer des heutigen Gelbviehs, die als Mainländer Vieh bis in die Gegend von Ansbach auftraten. Rot- und Schwarzschecken waren gleichfalls zu finden. Milchergiebigkeit, Zug- und Mastfähigkeit aller dieser Tiere wurden als mäßig bezeichnet.

Im 18. Jahrhundert versuchten die Landesfürsten, unter anderem zur Hebung ihrer Staatsfinanzen, der landwirtschaftlichen Erzeugung neue Impulse zu geben. Zu diesem fortschrittlichen Personenkreis gehörten auch die Markgrafen von Ansbach, die ihre Maßnahmen zunächst auf ihrem eigenen Grundbesitz durchführten.

Der „wilde“ Markgraf Carl Wilhelm Friedrich – er regierte von 1729-1757 – lernte auf Reisen nach Holland die für ihn ungewohnt großen und milchergiebigen, schwarz-weiß gezeichneten Niederungsrinder kennen. Er ließ 1740 sechs Kühe dieser Rasse zur Deckung des Milchbedarfs seiner Hofhaltung nach Ansbach kommen. Die Tiere wurden zur Grundlage einer „Holländerey“ nach Triesdorf geschafft. Daß diese Kühe bereits damals Aufmerksamkeit erregten, zeigt folgende Beschreibung:

„Die Ostfriesische Rasse (sie entsprach den holländischen Tieren) ist mehrenteils schwarz und weiß gefleckt oder getigert, sehr milchreich und zur Mastung wohl geschickt und daher auch schon vielfältig zur Veredlung anderer deutscher Rassen gebraucht worden“.

Die Kreuzungsprodukte entsprachen zunächst nicht den Erwartungen, wie alte Beschreibungen belegen (Lehnert 1896):

„Die Nachzucht bestand aus hochbeinigen Tieren mit oft schiefen, kuhhessigen Hinterbeinen und einwärtsgebogigen Sprunggelenken. Kopf und Hals waren lang, Brustkasten und Widerrist schmal, Rippen flach, das Kreuz hintenabfallend und alle Formen mehr eckig. Solche Tiere konnten in einer Gegend, in der der mittlere und kleine Besitz vorherrschte und die Gespannarbeit meistens mit Rindern ausgeführt wird, in dem also der gute Wuchs und die Arbeitstüchigkeit des Rinds im Vordergrund standen, keinen Anklang finden.“

Carl Alexander, Sohn des wilden Markgrafen und letzter Markgraf zu Ansbach (1757-1791), befahl deshalb gleich zu Beginn seiner Amtszeit, nicht nur die Inzucht durch Einfuhr weiterer friesischer Bullen zu durchbrechen; er veranlaßte auch den Ankauf schwarzweißer Höhenrinder aus der Westschweiz. Die Farbgleichheit mit den friesisch-holländischen Tieren war in der damaligen Zeit des Formalismus sehr wichtig.

Die Bauern nahmen diese Rinder wegen ihrer für Arbeit und Mast geeignet erscheinenden Körperformen gern an. Die Tiere wurden als schwer und grobknochig geschildert, hatten einen kräftigen, schweren Kopf und einen mittellangen, kräftigen Hals mit starker Wamme. Die Muskulatur war gut ausgebildet. Das Lebendgewicht der eingekauften Kühe betrug 800-850 kg. Für die damalige Zeit waren solche Rinder in Deutschland wahre Ungetüme.

Die Einkreuzung von Schweizer Tieren in die bodenständigen Rinderbestände erwies sich als so erfolgreich, daß Markgraf Carl Alexander 1780 einen weiteren Transport von 24 schwarz-weißen Kühen und einem Bullen aus den Kantonen Bern und Freiburg nach Triesdorf veranlaßte. Er verwandelte so die „Holländerey“ seines Vaters allmählich in eine „Schweizerey“. Der hier geprägte Begriff führte bald in ganz Deutschland dazu, in der Rinderhaltung tätige Personen als „Schweizer“ zu bezeichnen. Schon hieran ist erkennbar, welche Berühmtheit die Triesdorfer Rinderzucht damals besaß und welche Bedeutung man ihr beimaß.

Nach Abbildungen und Beschreibungen waren die Ansbach-Triesdorfer im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts beeindruckend. Ein Kupferstich, den ein Nürnberger Metzgermeister von sich und seinem größten Schlachttier anfertigen ließ, enthält folgende Unterschrift:

„Akkurate Abbildung des großen und fetten Ochsen von einer Schweizer Art, der im Leben 25 Zentner und 40 Pfund gewogen hat, welcher in Hochfürstlich Anbachischer Schweizerei zu Triesdorf erzogen worden und zu Nürnberg von Heinrich Clemens Schwammeis, Metzgermeister, nach 5/4jährlicher Mastung am 12. April 1775 geschlachtet worden ist. Dessen Größe oder Länge war 9 Schuh 8 Zoll (303 cm) vom Schwanz bis an den Kopf, die Höhe 6 Schuh (187 cm) und der Umfang des Leibes 10 Schuh 9 Zoll (335 cm). Die Haut hat gewogen 74 Pfd, das Unschlitt 356 Pfd und das Fleisch 1276 Pfd – Christoph Daniel Henning, del. st. nat., sculps et excudit. Norimbergae.“

Eine weitere Beschreibung von damals lautet folgendermaßen:

„Der Rosenwirt zu Ansbach kaufte im Jahr 1787 für 1200 Gulden in Triesdorf zwei Mastochsen mit einem Gewicht von 32 und 34 Zentnern. ER verschickte sie zum Schlachten nach Paris; doch zuvor wurden sie dort in einem Zelt als Sehenswürdigkeit gegen Eintrittsgeld zur Schau gestellt.“

Die angegebenen Größen und Gewichte sind sicher mit Vorsicht auszunehmen. Sie zeigen aber zumindest, daß die Einkreuzung fremder Rassen bei guter Fütterung Rinder von außerordentlichem Gewicht hervorbrachte. Daß die angeführten Beispiele keine Ausnahmen waren, beweisen Aufzeichnungen der oberten Behörden.

Durch zwei Seuchenzüge 1792 und 1800 (Lungenseuche) ging der Rinderbestand in Triesdorf nahezu vollständig verloren. Doch die Zuchtleitung ließ sich durch diesen Rückschlag nicht entmutigen. 1801 wurden nach einem Beschluß der preußischen Domänenkammer – Triesdorf war inzwischen preußische Staatsdomäne geworden – erneut zwei Männer aus der Ansbacher Gegend in die Schweiz geschickt, um Rinder zu kaufen. Sie gingen jedoch nicht bis ins Berner Oberland, sondern erwarben bereits im Unterland, dem Emmenthal und Entlebuch, 17 Kühe und einen Bullen. Dort wurden damals noch Rinder von schwarzbrauner bis weißgrauer Farbe gehalten. Sie waren kleiner und milchbetonter als die schweren Fleckviehrinder. Ein geplanter Einkauf von weiteren Schweizer Rindern wenige Jahre später unterblieb, weil inzwischen Krieg ausgebrochen war.

1806 wurde Franken bayerisch und Triesdorf damit bayerisches Staatsgut. Die neue Zuchtleitung ergriff erst 1830 die Pläne zum Ankauf von Niederungsrindern wieder auf. Sie ließ sich durch einen Viehhändler aus Jever zwölf ostfriesische Kühe und zwei Bullen liefern. In dieser Zeit bemühte sich der Landrat des Kreises sehr um die Rinderzucht, und so wurden auf Rechnung des Kreisfonds 1834 wiederum Rinder eingeführt. Diesmal waren es sowohl Simmentaler aus der Schweiz (2 Bullen und 10 weibliche Tiere) als auch ostfriesisches Niederungsvieh (1 Bulle und 9 Kühe), die verschiedene Landratsmitglieder für Triesdorf erwarben.

Doch damit nicht genug: Zwei Jahre später kaufte man erneut Höhenvieh ein. Diesmal wares es zwölf Kühe und zwei Bullen aus dem Mürztal in der Steiermark. Wiederum zwei Jahre später, 1838, wurden wiederum Höhenrinder erworben, und zwar graubraunes Allgäuer Vieh. Diese beiden Einkäufe erwiesen sich jedoch als wenig tauglich und fanden keine Zustimmung bei den Züchtern. Sie sollen lediglich die große Bereitschaft zur Kreuzungszucht deutlich machen. Als sinnvolle Einkreuzungen sind allein die Importe von Simmentalern und ostfriesischem Vieh zu werten.

Zwei Gemälde aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die noch heute im Triesdorfer Schloss hängen [Verbleib ungeklärt, Anm. cam], geben einen guten Eindruck von Körperform und Farbverteilung dieser Rasse. Der Bulle ist ein kräftiges schwarz-weißes Tier mit Farbtupfer in der weißen Bauch- und Rückenzeichnung. Er soll eine Widerristhöhe von 5 ½ Schuh (172 cm) besessen haben. Der Rumpf der Kuh ist dagegen überwiegend weiß mit feinverteilten Farbspritzern an Schulter, Rücken und Becken. Das Tier besitzt eine ausgeprägte braune Maske und braune Ohren. Der feine Knochenbau und der lange Kopf deuten auf Nähe zu den Niederungsrindern hin. Charakteristisch ist also die „Tigerung“ beider Tiere, ein die Rasse später kennzeichnendes Merkmal.

Der guten Entwicklung, welche die Zucht der Ansbach-Triesdorfer Rinder nahm, wurde 1849 durch den erneuten Ausbruch der Lungenseuche eine jähes Ende gesetzt. Die Tierbestände wurden stark dezimiert, und auf der Domäne Triesdorf selbst verendeten nahezu sämtliche Rinder. Doch die Verantwortlichen gaben die Zucht nicht auf. Die Regierung von Mittelfranken beschloss 1851 den erneuten Ankauf von Höhen- und Niederungsvieh.

Der damalige Vorstand des Staatsgutes Triesdorf war dadurch befugt, zwölf schöne Kühe und einen jungen Zuchtbullen der Berner-Simmentaler-Rasse einzukaufen. Der ebenfalls geplante Ankauf von Niederungsvieh verzögerte sich bis 1853, da das Geld hierfür zunächst fehlte.

Simmentaler Vieh wurde zwischen 1861 und 1895 noch siebenmal importiert; auch rotbuntes Niederungsvieh kaufte man von 1864 bis 1888 noch viermal hinzu. Letztere waren Breitenburger Rinder. Anlaß für deren Ankauf war eine DLG-Ausstellung, auf der gut gebaute, getigerte Breitenburger zu sehen waren.

Mitte des 19. Jahrhunderts war die Farbe des Ansbach-Triesdorfer Rindes rötlich mit weißen und schwarzen Flecken. Auch getigerte Tiere sowie Rot- und Schwarzschecken kamen vor.

Nach anderen Angaben überwogen damals „Gelb-, Roth- und Schwarztiger, oder derartige Schecken“ (May 1856). May erwähnt außerdem die Abneigung der Bauern gegen die schwarze Farbe. Sie leiten aus ihr eine verringerte Mastfähigkeit der Tiere ab. Diese Ablehnung galt auch später noch:

„Die Farbe (der Ansbach-Triesdorfer) ist rothbunt oder gelbbunt, öfter getigert; die schwarzbunte Farbe der Holländer kommt selten vor, und ist nicht beliebt.“

Genauso verschieden wie Farbe und Zeichnung war die Form dieser Rasse. Die Tiere neigten entweder dem Niederungstyp zu mit Hochbeinigkeit, langem Hals, schmalem Kopf und abgedachtem Kreuz, oder sie gerieten mehr nach dem Höhentyp, der breiter gebaut und besser bemuskelt war. Für die damalige Zeit war die Leistung beachtlich. Die Rasse imponierte nicht nur durch enorme Gewichte. Es wird eine Kuh erwähnt, die nach dem Kalben 33 bayer. Maß (16,5 l) Milch pro Tag gab.

Ansbach-Triesdorfer Kühe sollen zu zweit landwirtschaftliche Fahrzeuge und Geräte gezogen haben, die

„von vier Stücken solchen Viehs aus anderen und fast allen Gegenden unseres Vaterlandes in keine Bewegung gebracht werden könnte[n]“.

Vor allem die Ochsen des Ansbach-Triesdorfer Viehs waren als Arbeitstiere sehr begehrt; sie wurden auch in anderen Gegenden gern gekauft. Im Zuchtgebiet selbst mußten Kühe und Kalbinnen neben den Ochsen als Spanndienste leisten. Den Ochsen wurden 50 bis maximal 70 Zentner Zuglast zugemutet, den weiblichen Tieren 30-40 Zentner, aber nur auf gepflasterten Straßen.

Werner (1902) kam später zu folgender Beurteilung:

„Die Tiere sind ausdauernd und auch im übrigen bei der Arbeit recht brauchbar. Die Ochsen entwickeln sich in der ersten Lebenszeit nur langsam, erreichen aber nach dem dritten Jahre einen großen Körperumfang und ein bedeutendes Gewicht. Im Alter von 2-3 Jahren werden sie sehr sorgfältig zum Zugdienst angelernt, wobei Stirnplatten in Gestalt von Halbjochen zur Verwendung kommen. Ausgewachsene Ochsen zeichnen sich durch lebhaften und räumenden Gang, Lenksamkeit und Zähigkeit aus. Dabei sind sie in Ernährung und Pflege wenig anspruchsvoll.“

Die Gewichte der Kühe wurden Mitte des 19. Jahrhunderts mit 14-15 bayer. Zentnern, Ende des Jahrhunderts mit 12-14 Zentnern (600-700 kg) angegeben.

Die Größe dieser Rasse war eine Folge spezieller Selektion. Ihre Hauptverwendung bestand in der Nutzung zur Arbeit. Die Abstufung von Arbeit, Fleisch und Milch war für damalige Zeit gut gewählt. Milch war wegen ihrer begrenzten Haltbarkeit noch immer vorwiegend ein Nebenprodukt. Erst eine erweiterte Käseproduktion veränderte dies. Fleisch wurde erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs und wegen billiger Importfuttermittel zu einem Nahrungsmittel breiterer Bevölkerungskreise.

Die ursprünglich in Mittel- und später auch in Unterfranken verbreitete Rasse konnte sich zwischen 1860 und 1880 bis nach Oberfranken und Nordschwaben ausbreiten. Auch nach England und Frankreich exportierte man sie.

Im April 1888 wurde von der bayerischen Regierung ein für die weitere Entwicklung der Rinderzucht entscheidendes Gesetz verabschiedet: das Körgesetz. Es besagte, daß fremde Kühe und Kalbinnen nur durch Zuchtstiere gedeckt werden durften, die von einer Körkommission angekört worden waren. Diese Kommission wiederum hatte die Tiere nachbestimmten Rassemerkmalen zu beurteilen. Mit Einführung des Gesetzes mußten die fränkischen Züchter ihre Kreuzungspolitik weitgehend aufgeben und sich auf die vorhandenen Tierbestände stützen. Es kam hinzu, daß die weitere Zufuhr von Breitenburger Niederungsvieh aus finanziellen Gründen abgelehnt wurde. Deshalb beschloss man, das bunte Rassengemisch, welches in 150 Jahren entstanden war, zu konsolidieren. Die Ansbach-Triesdorfer wurden aufgeteilt in einerseits Fleckvieh und andererseits „Tiger“ bzw. „Mohrentypen“. Allein der Tigertyp wurde in Zukunft akzeptiert. Diese Maßnahme hatte zur Folge, daß sich die Zuchtbasis schlagartig drastisch verringerte. Die Ansbacher-Triesdorfer im Fleckviehtyp zogen mehr Simmentaler Fleckvieh nach.

Mit Beginn der durch das Körgesetz erzwungenen Reinzucht der „Tiger“ und der damit verbundenen drastischen Bestandsreduktionen begannen gleichzeitig die Maßnahmen zur Erhaltung der Rasse. 1891 bestimmte der Landrat, daß in Triesdorf die Weiterzucht mit den Breitenburger Rindern, die sich nicht bewährt hatte, aufgegeben werden sollte. Er ordnete als Ersatz die Zucht sorgfältig ausgewählter getigerter Tiere an, die in der Umgebung von Ansbach und Leutershausen gekauft wurden. Darüber hinaus errichtete der landwirtschaftliche Kreisausschuß von Mittelfranken in Leutershausen und Windsbach Musterzuchtstationen, deren Aufgabe es war, geeignete Tigerbullen aufzuziehen und aufzustellen. Von seiten des Staates wurden zudem seuchengesetzliche Vorschriften erlassen, die die Zucht der Ansbach-Triesdorfer die früher häufigen Rückschläge ersparen sollten.

Das Tigervieh verlor dennoch immer mehr an Bedeutung. Deshalb wurde 1896 festgelegt, daß auf dem Gut Triesdorf bis auf weiteres 12-15 Kühe und ein Bulle gehalten werden mußten.

Im Grunde verurteilte man den „Tiger“ aber zu einem Schattendasein. Der damalige Leiter von Triesdorf äußerte folgende Überzeugung:

„Wer je in seinem Stalle Simmentaler Tiere und deren Kreuzungsprodukte neben Ansbachern stehen hatte, will sicher von der Reinzucht der Ansbach-Triesdorfer nichts mehr wissen“ (Schreiner in Beutner 1925)

Ihm antwortete Schwarz-Artelshofen und hob die Vorwürfe des Ansbach-Triesdorfer Tigerviehs noch einmal hervor:

„Will man zu einer raschen Verwertung seiner Aufzucht gelangen und ist reichlich gutes Futter vorhanden, so wird man sich zu einer reinen Simmentaler Zucht entschließen. Will man vortreffliches Arbeitsvieh, gute Milchtiere mit feiner Fleischfaser ziehen, so muss man bei dem Kreuzungsprodukt, das heißt dem Ansbach-Triesdorfer Schlag, bleiben.“

Schwarz-Adelshofen (in Beutner 1925) verweist auf die Nachteile des Felckviehs. Er erwähnt die ständige Einfuhr von Original-Simmentalern aus der Schweiz, um gute Formen und Leistungen zu erzielen. Angeblich degenerierten die Tiere oft trotz guter Fütterung. Des weiteren schreibt er,

„ganz dieselbe Zuchtliebhaberei mach sich nun bei uns in Mittelfranken und leider auch in den anderen Kreisen breit. Durch die Simmentaler soll alles andere verdrängt werden, ganz gleichgültig, ob diese Tiere für die Gegend geeignet sind oder nicht. Dem raschen Wachstum und der ‚merkwürdigen Vererbung’ dieser Tiere muß alles andere unterliegen. Es werden jetzt Kelheimer, Allgäuer, Scheinfelder, Voigtländer usw. mit diesen Simmentalern gekreuzt, ganz ohne Rücksicht, ob dadurch die vorhandenen wertvollen edlen Tiere, die vielleicht nur etwas degeneriert sind und durch gute Haltung sich von selbst wieder heben, dem Untergange geweiht sind, und ob der Kleingütler sein herrliches Arbeits- und Nutzvieh verliert: für alle Viehzüchter eine recht traurige Sache.“

1897 wurde dann die „Stammzuchtgenossenschaft zur Reinzucht des Ansbach-Triesdorfer Rindes in Ansbach und Umgebung“ gegründet. Sie vergrößerte sich schnell durch die Bildung von Ortsvereinen. Man begann, ein (unvollständiges) Herdbuch anzulegen, in dem das Äußere der Eltern sowie Deck- und Abkalbedaten festgehalten wurden. Leistungsangaben fehlten jedoch vollständig. Als Folge einer mangelhaften Organisation bestand diese Genossenschaft nicht lange. Sie schloß sich ein Jahr später dem neu gegründeten „Zuchtverband für das Fleckvieh Simmentaler Charakters in Mittelfranken“ an, der dann die Herbuchführung übernahm.

Im Jahr 1900 wurden in einer Anleitung zum Richten von Rindern folgende Anforderungen an den Ansbach-Triesdorfer Schlag gestellt:

Zuchtziel: Erzeugung von Rindern, die Milch, Fleisch und Arbeit vereint zu liefern vermögen.
Größe und Gewicht: Widerrist jüngerer Kühe 1,29 m, volljährig 1,34-1,35 m, 3-jährige Bullen 1,36-1,37 m im Mittel.
Lebendgewicht älterer Bullen: 900-1000 kg.
Lebendgewicht von Kühen: 500-675 kg, ausnahmsweise bis 700 kg.
Körperbau: Zwei verschiedene Gestaltungen kommen vor. Beiden gemeinsam sind: ein verhältnismäßig langer, am Stirnkamm schmaler, an der Nasenwurzel ziemlich breiter Schädel mit tief angesetzten Ohren; mittellange, fein nach oben, hinten und außen gewundene Hörner (Kuh); ziemlich langer Rumpf mit schwacher Neigung zur Bugleere und Schnürgurte; breites und langes Becken, insbesondere breites Gesäß; kräftige Giedmaßen; nicht selten ziemlich große Gestellhöhe.
Stand und Bewegung: Meistens regelmäßig; Gang der Tiere lebhaft und räumend.
Haut: An manchen Tieren derd und dick, an anderen fein und dünn, gewöhnlich pigmentiert.
Haar: Verschiedenartig, bei einigen Tieren rauh, bei anderen weich und glatt, selten zu Wirbeln zusammengestellt; am Kopf und Hals der Bullen oft kraus; kurzer Stirnschopf.
Milchzeichen: Euter von verschiedenartiger Beschaffenheit, mäßig groß, etwas anch dem Bauche verschoben, fein und spärlich behaart, beim Anfühlen derb; mittellange, regelmäßig abstehende Striche, oft zwei bisdrei Überstriche.
Farbe und Abzeichen: Tiger und Mohren.
Tiger: Weißes Grundkleid; auf demselben kleine rundliche, gelbe oder rotbraune Flecke (Geld- oder Rottiger); Kopf gewöhnlich gelb oder rotbraun, jedoch meist unterbrochener Blesse versehen.
Mohren: Ebenfalls weißes Haarkleid; Kopf durchweg gelb, rot oder rotbraun (Gelb- oder Rotmohren).
Hörner gelblich-weiß, gewöhnlich schwarze Spitze; Klauen meistens schwarz, manchmal auch weiß oder gefleckt. In der neueren Zuchtrichtung sich die Tiger – rote und gelbe – als schlagecht bevorzugt.
Ausschließende Eigenschaften und Merkmale: Scheckige, dem großen Höhenfleckvieh ähnlich gefärbte Tiere gelten nicht als schlagecht und werden nicht zu den Ansbach-Triesdorfern gerechnet. Schwarzes Pigment schließt nicht aus.

1914 regte Tierzuchtinspektor Schmid, Ansbach, an,

„alle Anhänger der einst über die Grenzen unseres engeren Vaterlandes beliebten und mit Recht geschätzten Viehschlages zu einer größeren Zuchtgenossenschaft zusammenzuschließen, um die Bullenaufzucht, event. Auch die Einfuhr, zu fördern, sowie den Austausch und Zukauf weiblicher Tiere zu ermöglichen, und auf diese Weise das bisher zerstreute, gute Zuchtmaterial in den Genossenschaften zusammeln. Es wäre damit einem lange gehegten und berechtigen Wunsche der so zäh und mit besonderer Liebe an ihrem Viehschlag hängenden Züchter Rechnung getragen.“

Einen letzten Versuch zur Erhaltung des Tigerviehs starteten 1917 die Züchter des Ortsvereins Ansbach. Sie forderten vom Zuchtverband für Fleckbvieh in Mittelfranken, zur Hebung der Tigerzucht ein Breitenburger Bullen sowie einige Kalbinnen zu importieren. Wegen des Ersten Weltkriegs ruhte das Vorhaben zwei Jahre, dann wurde die Frage einer erneuten Einkreuzung in die Tiger wieder aufgegriffen. Nachdem diese Anfrage praktisch über das weitere Schicksal des Tigerviehs entschied, war eine Anhörung des Verbandsausschusses des Zuchtverbandes für Fleckvieh in Mittelfranken nötig geworden. Dieser entschied nach einer Zählung der noch vorhandenen Tigerviehbestände folgendermaßen:

„Der Verbandsausschuß hält die fernere Reinzucht des Ansbach-Triesdorfer Schlages nicht für aussichtsreich. Bis aus weiteres sollen jedoch in Ortsvereinen dieser Zuchtrichtung mit einem überwiegenden Bestand an getigertem weiblichen Zuchtvieh Herdbuchaufnahmen von Ansbach-Triesdorfer Rindern vorgenommen werden. Tigerbullen sind nur in ein Herdbuch einzutragen, wenn sie strenger Beurteilung standhalten.“

Züchterische Schwierigkeiten bestimmten immer mehr das Bild des Tigerviehs. Es mangelte vor allem an guten Bullen, so daß die Gemeinden bald Simmentaler-Fleckviehbullen aufstellten. Aus Triesdorf wurden zwar noch ab und zu Zuchtstiere an die Gemeinden abgegeben, aber die Tiere konnten sowohl farblich als auch von den Körperformen her den züchterischen Anforderungen zumeist nicht gerecht werden. Man griff in Triesdorf schließlich zum letzten Mittel: der In- und Inzestzucht. Aber die Herde war zu klein, um züchterisch noch erfolgreich operieren zu können.

Nach 1919 lag die Weiterzucht der Ansbach-Triesdorfer Rasse nur noch in den Händen kleiner Bauern in benachteiligten Gebieten und von Handwerkern. So verwundert es nicht, daß 1925 nur noch wenige Bullen gekört wurden. Das Städtchen Leutershausen war das letzte Refugium dieser Rasse. Aber auch dort soll das Tigervieh bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs weitgehend verschwunden sein.

Hauptursache für den Untergang dieser Rasse war vermutlich, daß man es versäumt hatte, sie von einem Arbeitsrind auf ein Zweinutzungsrind moderner Prägung mit entsprechender Milchleistung umzuzüchten. Im Rückblick scheint das Ansbach-Triesdorfer Rind die erste deutsche Hochzuchtrasse gewesen zu sein. Es wurden aber lange Zeit zu viele andere Rassen eingekreuzt, so daß Erscheinungsbild und Zuchtziel zu wenig einheitlich waren. Hinzu kommt, daß die Rasse zum Fettansatz neigte und damit in Zeiten des Wohlstands nicht die Verbrauchererwartung traf.

Ein letztesmal für lange Zeit wurde die Aufmerksamkeit 1925 durch die Publikation auf diese Rasse gelenkt (Beutner 1925). Beutner maß und beschrieb die letzten reinrassigen Ansbach-Triesdorfer. Viele Körpermaße hatten sich seit 1899 kaum verändert. Beutner wies auf die beachtlichen Leistungen dieser Rasse hin. Dennoch zeigt er Verständnis für die Tierzuchtverbände. Diese könnten zur Erreichung ihres Ziels – Einheitlichkeit der Zucht in größeren Gebieten – auf kleine, eingesprengte Schläge keine Rücksicht nehmen. Die Verbände dürften sich in ihren Zuchtbestrebungen auch nicht dadurch beeinflussen lassen, daß der kleine Bauer – der letzte Züchter aussterbender Rinderschläge – sich gegen deren Verdrängung auflehnt. Waren das nicht vergleichsweise harmlose Vorboten einer in anderer Hinsicht tödlichen Rigorosität gegenüber Minderheiten?

Auf Anregung eines Bezirksrats wurde 1987 vom Tierzuchtamt Ansbach geprüft, in welchen Betrieben noch Rinder stehen, die der Ansbach-Triesdorfer Rasse ähnlich sind. Reinrassige Tiere wurden nicht mehr gefunden. Es gab jedoch etliche Rinder, die vom üblichen Erscheinungsbild des jetzt vorherrschenden Fleckviehs deutlich in Richtung Ansbach-Triesdorfer abwichen. Auffallend ist, daß diese Tiere farbige Beine und viel Pigment am Kopf besitzen. Der Rumpf ist in der Regel mit kleinen Pigmentflecken übersät. Es kommt hinzu, daß bei manchen Tieren außer braunem Pigment manche Körperteile teilweise schwarz gefärbt sind.

Auf spätere Einkreuzungen lassen sich diese Sonderformen nicht zurückführen. Ein kleiner Kreis von engagierten Interessenten bemüht sich um Erhaltung und Weiterzucht dieser Ansbach-Triesdorfer-Kreuzungstiere.

Text geliefert von Franz Probst, Verein zur Erhaltung des Ansbach-Triesdorfer Rindes e. V., Augsburg

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