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(Norbert von Grund);

Malerische Reise eines deutschen Künstlers nach Rom.

Ein würdiger Pendent
zu
Volkmanns und von Archenholz
Werken.

Zwei Theile.

Wien, bei Hochenleitter und Kompagnie
1789.
Zwei Bände in ein Band. Kl-8, Titel mit gestochener Vignette, 254 pp, 208 pp.


1. Band

S. 87

Eilfter Brief

Reise von Würzburg nach Ochsenfurt; die unterwegs liegenden Oerter sind; Randersacker, Eibelstadt, Sommerhausen und Kleinochsenfurt; Ochsenfurt ist
domkapitlisch, baut viele Schiffe und Flöße, ist eine Legstadt und Sammelplatz der Kaufleute und Weinhändler; die auf der Straße, da, wo sich der Weg scheidet, befindliche vortrefliche Denksäule; Beschreibung der Stadt Anspach, des Schlosses und der Merwürdigkeiten daselbst; Entstehung des dortigen katholischen Bethauses; über den Handel und Militäretat; Beschaffenheit und Fruchtbar des Boden; Triesdorf der gewöhnliche Aufenthaltsort des Hof.

Der Weg von Würzburg nach Ochsenfurt führt am Ufer des Maynstroms hin. Weinberge und Kornfelder, die sich bald auf einer, beyden Seiten zugleich erheben, machen ihn zum angenehmsten von der Welt.

Randersacker ist der erste Flecken, auf dem man zukömmt. Es ist ein elender Ort, von der leibhaftigen Armuth bewohnt. Schifferknecht und Flößer haben hier ihrem Aufenthalt. Er ist am er der Ueberschwemmung ausgesetzt. Vor nicht langer Zeit, als der Mayn ausserordentlich austrat, fürchtete man sich vor dem Einsturz der ohnehin vom Wasser untergrabenen und baufälligen Kirche. Man verfiel auf den komischen Einfall, sie mit Schiffstauen zu umwinden. Als ich hart am Ufer hinfuhr, begegnete ich einem beladenen Schiffe, welches gegen den Strom ans Land gezogen wurde; bey dieser Gelegenheit hörte ich etwas von der hier zu Lande gangbaren Schiffersprache. Es rief ein Knecht vom Schiffe: Jockl gib Ocht, deß di der Fodn nit schnockelt (daß dich das Schiffsseil nicht schnellt.)

S. 88

Eibelstadt ist ein artiger Marktflecken; er hat regelmäßige Straßen und hübsche Häuser. Auf dem Platze steht die Statue des heiligen Sebastian, Nothhelfers wider die Pest. Man sagte mir, daß dieser Heilige den Ort einst von der Pest befreit hätte, und aus Dankbarkeit wurde ihm seine Bildsäule gesezt. Dieser Heilige muß sehr parteyisch sein, weil er in einem kleinem Orte eher Hilfe schafft, als im volkreichen Konstantinopel oder an den weitläufigen Künsten der Barbarey, wo doch auch Leute wohnen, die seiner bedarfen, und die, wenn sie ihn gleich nicht in ihrer Noth aurufen, weil sie keine Christen sind, doch auf seine Hülfe Anspruch haben, weil es Menschen sind.

S. 89

Sommerhausen ist ein wohlbebestellter und lebhafter Ort; er ist evangelisch, und gehört, samt dem jenseitigen Ort Winterhausen, zur Herrschaft der Grafen von Limburg Speckfeld. Die Katholiken leben sehr verträglich mit den Evangelischen, weil beyder Interesse zu sehr miteinander verflochten ist. Weinbau und Weinhandel beleben beyde im gleichen Grade. Doch kann man nicht umhin, den vorzüglichen Fleiß der Sommerhäuser in Bestellung der Weinberge und Felder zu bewundern. Alles, was um ihre Mauern herumliegt, gleicht einem Garten. Die Leute sind auch munterer, weil sei weniger Abgaben entrichten.


S.104

Durch das ganze Fürstenthum sind die kostbarsten Strassen angelegt, und da, wo der Boden besser ist, hat die Landschaft ein reiches und blühendes Aussehen.

Der Hof hält sich beständig in Triesdorf, einem von Anspach drei Stund entlegenden Luftorte auf. Die Einwohner von Anspach sind dessen nicht gar froh, und geniesen nur selten die Freude, ihren Fürsten bey sich zu sehen. Jeden zweyten Winter geht der Markgraf nach Frankreich oder England, und kommt selten vor dem fünften Monat zurück. Seine Gemahlin erhebt sich dann nach Anspach, oder geht nach Koburg, ihre Durchlauchtigsten Eltern zu besuchen. Anspach findet an dergleichen Reisen noch weniger Wohlgefallen, als an den entfernten Hoflager. Dieses gewährt den Einwohnern einen ausschießenden Gewinn, und ist gerade das Gegentheil von jenen.

S. 107

Ich fuhr in das anstossende Dorf Weidenbach, und nahm das Frühstück ein. Ich gieng in die Pfarrkirche, wo ich zu meinem größten Erstaunen ein herrliches Altarstück wahrnahm. Es stellte die Anbetung der drey Weisen aus dem Morgenland vor.

S. 108

Eine Privatperson von Anspach stiftete dieses Gemälde zum Altar, welches das Glück hat, als ein Kirchenschatz betrachtet zu werden. Ich gieng aus Neugierde nach Triesdorf zurück, fand aber wenig, das derselben entsprochen hätte. Ein altes baufälliges Schloß, das ehemalige Stammhaus der Herren von Seckendorf, verschafte mir wegen seines mahlerischen Ansehens, mehr Vergnügen.

Er [Markgraf Alexander] wohnt, mit seiner Gemahlin, in einem kleinen, äußert engen, Hause, das Falkenhaus genannt, wo überdies die Hofdamen, Kammerfrauen, und andere männliche und weibliche Bedienstete, ihre Wohnung haben.

S. 111

Wie nennt sich dieser Ort, Kutscher? „Ohrenbau“ Gut, halt an. Der Ort hat starke Thürme und Mauern, elende Häuser, und arme Einwohner. Er gehört dem Bistum Eichstädt, und ein Richter, der hiesigen Orts Kastner genennt wird, schwingt mit dem Stolz eines Diktators den eisernen Szepter über die bedrängten Bauern. Sie klagen laut über seine Herrlichkeit, und sagen, dass der Herr Stadtschreiber ein ganz anderer Mann wäre. In der That, das ist er auch, denn er ist nur des Herrn Kastners Nothschreiber, und dafür hat er das Prädikat eines Stadtschreibers, das er durch Aufblähung seines Bauches recht hervorstechend zu machen sucht. Uebrigens hat er das wirkliche Amt eines Schulmeisters, und ist Organist bey der Pfarrkirche, und was ihm noch ein besonderer Vorzug scheint, des Herr Kastners Herr Schwiegersohn.

S. 113

Welch eine Freude, meine Vaterstadt zu sehen, die ich als ein Kind von zwey Jahren verlassen hatte! In wenig Zeit langte ich in Gunzenhausen an. Ein kleines Landstädtchen, wo ehemals Markgraf Friedrich Wilhelm sich aufgehalten hatte. Er war der ausschweifendste Liebhaber von der Raigerbeize davon zeugen noch die vielen eingegangenen Jägerhäuser, die in dieser Gegend zerstreut und verödet liegen, und alle ihre Namen von den Falken erborgen mussten.

Gunzenhausen hatte sich bey der Anwesenheit des Hofes ziemlich gut befunden; aber sein Wohlstand mußte mit dem Tod seines Fürsten abnehmen. Demohngeachtet behält es noch izt das wiewohl schwache Ansehen einer Residenzstadt bey, theils aus dankbaren Andenken gegen seinen ehemaligen Wohltäter, theils weil die Eindrücke von der vorgegangenen Lebensart noch neu sind, meistens aber aus Antrieb eines gewissen Stolzes, von welchen kleine Städte unwiderstehlich befallen werden, sobald sie der Zufall in einer Anwandlung von Scherz oder Erbarmen ihr Moos und Schilf bewachsenes Haupt aus dem väterlichen Schlamm entsprechen heißt. Sie glauben sich dann Städte von ansehnlichen Range, und es eine Lust, zu sehen, wie sie mit grössern, deren Atmosphäre die ihrige wie einen Atom verschlingt, abdertitisch (einfältig, schildbürgerhaft) wetteifern.

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