N[ürnber]g, im August 1787.
Kein Schauspiel, wenn es auch noch so sehr mit künstlichen Wänden
ausgeschmückt ist, kann so viel Reiz fürs Auge, so viel feierliches
haben, als wenn es unter freiem Himmel, mit Begünstigung einer heitern
Nacht beim schwachen Schein des Mondes und bey einer gut gewählten
Beleuchtung, aufgeführt wird. So sah ich jüngst die bekannte
französische Oper, Henri IV, oder die Jagdlust von einigen Edlen in
Trießdorf auf dem dasigen grünen Theater, mit allem, was dieses
Stück verherrlichen kann, aufführen. 1
Da ich bey Zeiten hiervon benachrichtigt wurde, so säumte ich nicht
an den bestimmten Tage mit noch einigen guten Freunden mich auf den Weg
zu machen. Wir waren kaum in Anspach angekommen, als wir schon Anstalten
sahen, die einen zahlreichen Zuspruch vermuthen ließen. Der Weg von
Anspach nach Trießdorf war mit Pferden und Fußgängern,
gleich einer Wallfahrt besezt, so, daß uns für unsere Unterkunft
daselbst bange wurde: denn vielleicht ist Trießdorf noch niemals
so lebhaft gewesen, als bey dieser Gelegenheit, wo sich beiläufig über
zweihundert Kutschen und gegen 3000 Menschen mögen eingefunden haben.
Doch lief alles sehr ordentlich ab, und nur blos am Eingang des Theaters
war das Gedränge etwas groß, wobey eine unserer Damen ihren
Schuh einbüßte.
Die Beleuchtung war nicht blendend und überladen, und die Hauptallee,
welche ohngefähr 600 Schritte lang seyn mag mit 100 bunten Laternen
illuminirt. Die Wirkung war, daß die Lichtstrahlen dadurch gebrochen
wurden und der Eingang zum Theater einen romantischen Anblick gewährte,
denn im Hintergrund präsentirte sich das erleuchtete Theater gleich
einem einzigen halben Stern. Rings um dasselbe erhob sich in einem halben
Cirkel ein aus drey Terrassen bestehendes Amphitheater für die Zuschauer,
und im par terre befanden sind ausserdem noch erhöhete Bänke.
Nach 8 Uhr begann der Anfang mit Trompeten und Pauken, und einer hinreissenden
Musik von Künstlern, deren Vorzüge in Ihren artistischen Miscellaneen
schon mehr als einmal gerühmt worden sind. Eine feierliche Stille
herrschte, als das Orchester unter freiem Himmel ertönte – worauf
ein hierzu verfertigter, und auf das Stück passender Prolog den Anfang
machte.
„Einige Freunde nämlich, die gekommen sind die Parforcejagd
zu sehen, treffen auf eine Bande Musikanten, welche sie fragten: Ob sie
nicht wüßten, wo die Jagd vorbey gienge ? und deren Beantwortung:
wie sie solche hier ohnfehlbar erwarten könnten, verlangten jene,
daß sie ihnen unterdessen eines aufspielen möchten.“ Dieß geschah,
die Musik fiel ein und einer von ihnen sang folgende Volksarie:
Unser Landesvater jagt,
Wie die Edlen pflegen,
Doch des Volkes Liebe zagt
Seines Fürsten wegen.
Huldreich strahlt sein Angesicht,
Und wie Gottes Sonne
Ist es auch der Armen Licht,
Und verbreitet Wonne.
Helfen will er jedem gern,
Keinen gern betrüben,
Diesen lieben, guten Herrn,
Wer sollt’ ihn nicht lieben.
Uz schilderte hierinn mit Wenigem den ganzen Charakter eines von seinem
Volke angebetenen Fürsten. Vom Stück selbst nicht ein Wort; denn,
da / würde ich für einen Brief zu weitläufig werden, und
meine Beurtheilungskraft viel zu gering seyn, die Handlungen dieser Oper
nach Verdienst zu rühmen. Selbst die Nacht trug das ihrige dazu bey,
um das ganze Schauspiel recht Lichter dunkler, als sonst. Hin und wieder
säuselte das beleuchtete und gleichsam versilberte Laub der dunklen
Wände, und auf den falben Gipfeln der hohen Linden hörte man
zuweilen einen schlummernden Vogel flüstern. Auf der andern Seite
sahm man undruchdringliche Nacht und Finsterniß, welche um mich herum
eine Menge Menschen eingeschlossen hielt. Während, daß ich so
im süssen Taumel des Wonnegefühles, theils über die meisterhafte
Ausführung des Stücks, theils in Gedanken über diese malerischen
Schönheiten versunken war, kam der zweite Akt herbey. In weiter Ferne
hörte man endlich das Jagdgeschrey. Die lermenden Waldhörner
tönten und die bellenden Hunde verkündigten die gute Jagd, welche
sich nach und nach dem Schauplatz näherte, bis endlich die ganze Jagd
in schönster Ordnung und die Mette der Hunde, ohne daß sich
einer verirrte, über das Theater zog. Den Schluß machten etliche
dreisig reichgeputzte Handpferde.
Ehe sich das Stück endigte, trat der blasse abnehmende Mond über
die hintere grüne Wand hervor, dessen schwaches Licht ein Gemisch
von Helldunkeln machte, daran ich micht nicht satt sehen konnte.
Wir irrten einige Augenblicke in den dunkeln, nun aber hin und wieder
mit Pechkränzen erleuchteten Alleen herum, bis wir unter einer zahllosen
Menge von Pferden und allerhand Arten von Fuhrwerken, welche zum Theil
unter freien Himmel kampirten, unseren Kutscher fanden, der uns noch in
selbiger Nacht ganz wonnetrunken bis in das Posthaus zu klein Hailbronn
brachte.
1 Charles Collé/Christian
Friedrich Schwan, Die Jagdlust Heinrich des Vierten, Mannheim,
1768. siehe Stadtarchiv Mannheim - http://www.stadtarchiv.mannheim.de/ |