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1803-2003 – 200 Jahre Säkularisation in Bayern

Der Begriff der Säkularisation ist keineswegs neu, sondern es gab in der Kirchengeschichte seit Bestehen der christlichen Kirchen auf allen Gebieten und Bereichen immer wieder Säkularisationen.

Säkularisationen waren immer damit verbunden, Auswüchse und unchristliche Elemente aufzuzeigen und soweit möglich wieder in das normale christliche Gedankengut zurückzuführen.

Um dies zu verstehen muss man etwas in der Geschichte ausholen. Ich möchte hierbei nicht in die 2000-jährige Geschichte der christlichen Kirchen zurückgreifen, sondern eigentlich beginnen mit der ersten großen Säkularisation in Deutschland und Europa, die verbunden ist mit der REFORMATION.

In der Reformation wurden fast alle Klöster und christlichen Fürstentümer in den Reformationsgebieten aufgehoben und den weltlichen Institutionen unterstellt. Am Schluss des Dreißigjährigen Krieges wurden alle Säkularisationen in den protestantischen Gebieten durch den Westfälischen Frieden nicht nur bestätigt, sondern auch sanktioniert.

Die nächste größere Säkularisationswelle erfolgte zwischen 1780 und 1790 in Österreich unter Kaiser Josef II., der in diesem Zeitraum 800 Klöster in Österreich säkularisierte und damit keinesfalls antichristliche Tendenzen unterstützen wollte, sondern das Christentum in den Bereichen der Volksgesundheit und Volksbildung stellen wollte.

Ganz interessant ist, dass auch etwa 50 Jahre vor der Französischen Revolution auch in Frankreich eine Säkularisation durchgeführt wurde unter Beteiligung des Klerus, in welcher 400 Klöster im Königreich Frankreich säkularisiert wurden.

Unter die Begriffe der Säkularisation ist hier ein ganz wichtiger Satz des berühmten benediktinischen Historikers, Pater Romuald Bauereiss, zu setzen. Bauereiss schreibt, in der Säkularisation wurden nicht nur einzelne geistliche Fürsten zu Grabe getragen, sondern die Kirche selbst war gezwungen, vom Thron der Herrin herabzusteigen und in ihrer ureigensten Stellung als Magd und Mutter zu wirken.

Diese sehr ausführliche Bekundung dieses angesehenen Benediktinerpaters drückt eigentlich alles aus. Sie drückt vor allem aus, was seit urchristlichen Zeiten die Worte Jesu Christi dahingehend definieren, dass seine Kirche nicht dazu geschaffen ist zu herrschen, sondern zu helfen und wie es so deutliche Romuald Bauereiss ausdrückt, die Magd und Mutter der Gläubigen zu sein.

Diese von unserem Herrgott Jesu Christi formulierte Form einer christlichen Kirche ist im Laufe der Jahrhunderte natürlich in einer kaum mehr vorstellbaren Art und Weise verweltlicht, um nicht zu sagen, verkommen. Was dies bedeutet wird in den nachfolgenden Abhandlungen nochmals erwähnt.

Um bei der Säkularisation, vor allem im bayerischen Raum, zu bleiben, ist natürlich die Säkularisation des modernen bayerischen Staatsgründers, Maximilian Graf Montgelas, diejenige, die heute noch die meisten Gemüter erregt und den meisten Staub aufwirbelt. Hier muss man natürlich ganz deutlich einmal sagen, wer sich über die Säkularisation des bayerischen Staatsgründers Maximilian Joseph Graf von Montgelas aufregt, zeigt in erster Linie in seiner Aufregung, dass er geschichtlich einen ganz erheblichen Nachholbedarf hat - um vielleicht noch deutlicher zu werden – die Geschichte gar nicht kennt.

Um nun in der Frage der Säkularisationen einen Schritt weiterzugehen, darf man natürlich die Französische Revolution nicht vergessen, welche wohl die in Europa brutalste und blutigste Säkularisation durchgeführt hat. Im Rahmen der französischen Säkularisation wurde nicht nur sämtlicher Kirchenbesitz enteignet, sondern auch die Führungspersönlichkeiten der Klöster, Abteien und Probstein nicht nur abgesetzt, sondern fielen schlicht und ergreifend zum größten Teil der Guillotine zum Opfer. Der Rest an Mönchen, Nonnen u. ä. wurde ohne irgendeine Entschädigung in die Wüste geschickt.

Hierüber spricht heute in Frankreich und in Europa meistenteils kein Mensch mehr. Aber in Bayern feiert man ein Gedenkfest „200 Jahre Säkularisation“, weil hier ein Mann auftrat namens Graf Montgelas, welcher in Bayern wohl die humanste und sanfteste Säkularisation durchgeführt hat, rechtlich abgesichert durch den Reichsdeputationshaupstschluss, den es jemals in Europa gegeben hat.

Schuld daran ist natürlich bis zu einem gewissen Grade die Familie Montgelas selber, denn den Kopf in den Sand zu stecken, Stiftungen zu machen und bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit für die Fehler des Vorfahren um Entschuldigung zu bitten, ist natürlich der Weg des geringsten, wenn nicht überhaupt vorhandenen Widerstands.

Montgelas fand bei seinem Regierungsantritt 1799 ein bayerisches Kurfürstentum vor, was nicht nur auf der Landkarte ein „Fleckerlteppich“ war, sondern ein Kurfürstentum, das eigentlich de facto als Staatsgebilde unregierbar war. Er fand weiterhin vor, 56 Prozent des Territoriums des Kurfürstentums Bayern der Kirche, kirchlichen Fürstentümern, Fürstprobsteien u. ä. kirchlichen Institutionen gehörte. Allesamt zahlten keine Steuern bzw. geringste Steuern, max. zehn Prozent, welche mit dem Landesherren vereinbart wurden.

Um nun Montgelas in seinen Handlungen, um das wird in den meisten Fällen vergessen, einmal klar zu definieren in seinen Motiven, in seinen Gedanken, bedarf es eines besonderen Kapitels, mit welchem ich nun folgen möchte.

Beurteilung aufgrund der Ausbildung und Herkunft des modernen bayerischen Staatsgründers Maximilian Graf Montgelas

Maximilian Graf Montgelas, damals noch Freiherr von Montgelas, entstammte aus einem savoyischen Adelsgeschlecht, seine Mutter aus einer wohl der fast ältesten bayerischen Adelsfamilien, nämlich der Grafen von Trauner. Durch die Tatsache, dass seine Mutter Hofdame der Kurfürstin von Bayern war, hatte er die Möglichkeit, eine sehr gute und umfangreiche Ausbildung zu genießen. Über die verschiedenen Phasen seiner Ausbildung soll hier nicht gesprochen werden. Dies mag einem gesonderten Kapitel von Familienforschern und Historikern vorbehalten bleiben.

Ein erster sehr prägender Eindruck für den jungen Freiherrn von Montgelas war sicherlich seine Zeit als Schüler der Jusuiten in Nancy zwischen 1766 und 1768. Die Jesuiten, welche ja auch, selbst in neuerer Zeit, als die Elitetruppe der katholischen Kirche bezeichnet wird, haben damals in Nancy diesen jungen Mann in seinem christlichen Glauben geprägt.

Bei dieser Gelegenheit muss gesagt werden, dass Montgelas keinesfalls eine antichristliche oder gar atheistische Ausbildung genoss, sondern er genoss die Ausbildung der Jesuiten.

Kein Mensch kann heute sagen, dass die Jesuiten nicht auch in modernster Zeit wohl die entscheidende und bedeutende Stütze der katholischen Kirche darstellt. Man muss sich schon einmal vorstellen, wie es diesem jungen Menschen getroffen hat als Papst Clemens XIV. 1773 die Jesuiten per vatikanischem Edikt verboten hat. Dieses Jesuitenverbot schweigt die Sancta Ecclesia Romana Catholica bis heute verschämt und redet sich auf Zwangsmaßnahmen der Bourbonenhöfe heraus. Sie hat dazu auch allen Grund. Denn wer heute noch über ein Verbot der Jesuiten spricht, der muss dann überlegen, wie er mit einem wohl berühmten bayerischen und Münchner Jesuiten, wie beispielsweise Pater Rupert Mayer umgeht. Denn auch er wäre damals unter das Jesuitenverbot gefallen.

Ein zweites, was den jungen Montgelas sehr stark prägte, um nicht zu sagen erschütterte, war die Französische Revolution. Diese Französische Revolution, die nicht von oben, sondern von unten kam, nämlich vom Volk, hat ein in der damaligen Zeit kaum vorstellbares Blutbad angerichtet, über welches heut noch Europäer wie auch Franzosen am liebsten den Mantel des Schweigens decken würden. Es ist sehr leicht über Liberté, Egalité und Fraternité zu sprechen, aber es ist sicherlich sehr schwierig, das mit dem damals angerichteten Blutbad in Frankreich in Zusammenhang zu bringen.

Dem jungen Montgelas, der das alles miterlebt hat, prägte dieses Blutbad in Frankreich natürlich ganz entscheidend und er hat deshalb eine bis heute gültige Staatsdevise ins Leben gerufen: REVOLUTION ja’ – aber immer von oben – nie von unten. Er war der Meinung, dass Revolutionen, die von unten kommen, wie es sich in Frankreich ganz eindeutig erwiesen hat, nichts bringen außer einem Meer von Blut und Ungerechtigkeit, sondern man müsse eine Revolution in Form von Reformen von oben gestalten und diese Revolution von oben muss so gestaltet sein, dass Bürgerrechte und berechtigte Forderungen des Volkes akzeptiert werden ohne aber dafür eine Unmenge von Menschen einen Kopf kürzer zu machen.

Deshalb erlauben Sie mir, einmal in er Kurzfassung die Leistungen des modernen bayerischen Staatsgründers Maximilian Graf Montgelas in einer kurzen Zusammenfassung darzulegen.

MONTGELAS’ BEDEUTUNG

  1. Montgelas’ AUSSENPOLITIK brachte Bayern (als Ersatz für die verlorenen linksrheinischen Gebiete) den Erwerb von 230 bisher reichsunmittelbaren selbständigen Territorien (z. B. Hochstifte, Reichsabteien, Reichsstädte, Reichsritterschaften), später u. a. auch von Ansbach und Bayreuth. Das bedeutete für Bayern eine Erweiterung von 61260 qkm auf 75858,9 qkm; von 1,9 Milll. auf 3,7 Mill. Einwohner.

    Montgelas gelang es, dieses Konglomerat in erstaunlich kurzer Zeit zu einem geschlossenen, modernen Staat mit einheitlichem Staatsbewußtsein und zu einer Verwaltungs- und Wirtschaftseinheit zusammenzufügen.

    Der Staat und seine Souveränität waren in dieser Zeit der napoleonischen Kriege mehrfach stark gefährdet. Österreich hatte Bayern im Stich gelassen und wollte es 1805 annektieren.

    Montgelas wandt sich (auf Rat des neutralen Preußens hin) an Frankreich und schloss ein Bündnis. 1813 trennte man sich von Frankreich im berühmten Vertrag von Ried, um den Bestand von Bayern zu sichern. Man näherte sich Österreich, Russland und Preußen an – noch vor der Völkerschlacht bei Leipzig. Die hohe Kunst der Diplomatie und die Meisterschaft im Abwarten und entschlossenem Ausnützen des günstigen historischen Augenblicks haben Bayern geholfen, diese schwierige Epoche, als Mittelstaat zwischen den Großmächten, vergleichsweise (der hohe Blutzoll soll hier nicht verharmlost werden) unversehrt zu überstehen.
  2. Montgelas’ INNERES REFORMWERK war geprägt vom Geiste und vom Staatsverständnis der Aufklärung und der Französischen Revolution. Schon im Jahre 1792 hatte er geschrieben: „Gerechtere Vertretung des Volkes, Ausweitung der wesentlichen Menschenrechte auf alle Klassen der Gesellschaft, gleiche Besteuerung ohne irgendwelche Ausnahmen, dies sind die weisen Opfer, zu denen ich nicht aufhöre, die Bayern zu ermahnen.“

    2.1 Montgelas stellte GLEICHBERECHTIGUNG zwischen den christlichen Konfessionen her, was in Deutschland bislang ohne Vorbilder war. 1813 gewährte er den Juden das Indigenat.

    2.2 Montgelas schränkte die Vorrechte des Adels ein.
    Im Einzelnen heißt das:
    gleicher Zugang zu den öffentlichen Ämtern für alle Bürger
    Abbau der Steuerprivilegien, Einführung der allgemeinen, gleichen Steuerpflicht
    GLEICHHEIT ALLER VOR DEM GESETZ
    Einfügung der niederen Gerichtsbarkeit des Adels in den Staat.
    Diese Reformen sind in der KONSTITUTION VON 1808 und in ergänzenden Edikten verankert.

    Des weiteren hat Montgelas verfügt: die Abschaffung der Reste an Leibeigenschaft, die Garantie des Eigentums und der Sicherheit der Bürger, ein einheitliches Strafrecht, die Abschaffung der Folter, die Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit der Richter, die allgemeine Wehrpflicht, die Aufhebung der Zensur und die Pressefreiheit.

    2.3 Die VERWALTUNG wurde von Montgelas vom Gesamtministerium bis zur Gemeinde neu organisiert. Die Einteilung der Gemeinden Kreise (Distrikte) blieb im wesentlichen bis zur Gebietsreform der 70er dieses Jahrhunderts [gemeint sind die 1970er Jahre] unverändert. Die gemeindliche Selbstverwaltung schränkte er stark ein, konnte sie aber nie ganz beseitigen. Insgesamt war ein Trend zur Zentralisierung erkennbar.

    2.4 An SOZIALEN MASSNAHMEN verfügte Montgelas: die Landesbrandversicherung, das staatliche Medizinalwesen, die Regelung der Armen- und Krankenfürsorge. 1807 führte Bayern als erstes Land der Welt die Pockenschutzimpfung ein.

    2.5 Mit der ersten exakten LANDESVERMESSUNG schuf Montgelas die Voraussetzung für die Arbeit der heutigen Grundbuchämter.

    2.6 Montgelas installierte ein BEAMTENTUM NEUEN TYPS, das Vorbild wurde für alle anderen deutschen Staaten. Das bedeutete: Beendigung des Systems der Käuflichkeit, der Erblichkeit und der Pfründe. Es galten nunmehr: Rechtsanspruch einer festen Besoldung mit Versorgung der Hinterbliebenen, genau festgelegte Vorbildung, Staatsprüfungen, Qualifikationen und Visitationen, Auswahl und Beförderung nach Leistung statt nach Herkunft. In diesem Zusammenhang steht auch die Verbeamtung der Lehrkräfte und die Verbesserung ihrer Rechtsstellung auf allen Ebenen des Schulwesens.

    2.7 Unter Montgelas erfolgte die Grundlegung des HUMANISTISCHEN und des REALGYMNASIUMS in Bayern. Realgymnasium bedeutete: verstärkter Unterricht der Mathematik und der Naturwissenschaften, aber auch 10 Stunden Latein in der Primärstufe, in der Sekundärstufe Französisch und in der Oberstufe (Realinstitut genannt) Französich und Englisch.
    Durch die Schaffung von LEHRERBILDUNGSANSTALTEN wurde die Lehrerausbildung professionalisiert. 1802/03 wurde die allgemeine SCHULPFLICHT eingeführt.

    2.8 Montgelas holte die UNIVERSITÄT von Ingolstadt nach Landshut. Dazu kamen: die Neuorganisation und der Ausbau der BIBLIOTHEKEN und AKADEMIEN, die Errichtung wissenschaftlicher Sammlungen und ARCHIVE des Landes, die Errichtung des Kgl. Bayer. HOF- und NATIONALTHEATERS.

    2.9 Bayern erhielt ein EINHEITLICHES WIRTSCHAFTSSYSTEM (vor Preußen und Österreich). Damit erfolgten erste Schritte zur GEWERBEFREIHEIT (d. h. Aufhebung der Zünfte), einheitliche Maße, Gewichte und Münzen. Die Binnenzölle wurden beseitigt. Die POST wurde verstaatlicht.

    2.10 Die BAUERNBEFREIUNG wurde eingeleitet. Die Bauern konnten das Obereigentum am Hofe ablösen.

    2.11 Von seinen zahlreichen Maßnahmen ist am meisten Kritik ausgesetzt die SÄKULARISATION (Beseitigung der staatlichen Herrschaft kirchlicher Würdenträger sowie Enteignung und Verstaatlichung von Kirchengut).
    Sie erfolgte auf Grund eines Reichsgesetzes, nämlich des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803. In allen Staaten des Reiches wurden damals die Klöster aufgehoben. Es wurde auch teilweise evangelischer Kirchenbesitz säkularisiert: in Preußen und Württemberg. Nur in Österreich wurden keine Klöster mehr aufgehoben. Joseph II. hatte schon im 18. Jahrhundert 800 Klöster aufgelöst.

Es ist wahr, dass Montgelas und sein Kurfürst voll hinter dieser Maßnahme standen. Bayern wurde sehr gründlich säkularisiert. Wertvolles Kulturgut ging verloren, geistige und geistliche Zentren wurden zerstört. Der Staat wollte daraus finanziellen Gewinn erzielen, was aber im großen und ganzen misslang.

ABER: Die Kirche war wie ein Staat im Staate. In Bayern besaßen die Klöster mehr als die Hälfte des Bodens. 56 Prozent der Bauern unterstanden ihnen. Mit den Klöstern wurde (vgl. Thomas Nipperdey) die stärkste vormoderne, nichtstaatliche Machtbastion ausgeschaltet und (bei allen Rechtsbrüchen, die dabei vorkamen) damit erst die Durchsetzung des Staatssouveränität, die Begründung des modernen Staates ermöglicht. Die Kirche wurde auf ihre Aufgabe als geistliche Institution zurückgedrängt. Der hohe Klerus war nicht länger Domäne des Adels, das Domkapitel nicht länger Versorgungsinstitut der jüngeren Adelssöhne.

Montgelas blieb dennoch CHRIST. Er hat den Besitz der Pfarrkirchen nicht angetastet. Er hat den Besitz der Pfarrkirchen nicht angetastet. Das Netz der Pfarreien wurde unter ihm dichter gestaltet, die Ausbildung des Klerus verbesserte, der Pfarrkonkurs eingeführt. Die Ortsgeistlichen behielten bis 1918 die lokale Schulaufsicht.

Montgelas persönlich trennte sich nie von der Kirche. Er war kein Christenverfolger. Er hat nur die weltliche Macht von der Amtskirche bekämpft und strengen staatlichen Regeln unterworfen.

Der bayerische Kirchenhistoriker und Benediktinerpater Romuald Bauereiss schreibt: „Aber nicht nur die der einzelne geistliche Fürst wurde zu Grabe getragen, die Kirche selbst war gezwungen, vom Thron der Herrin herabzusteigen und in ihrer ureigensten Stellung als Magd und Mutter zu wirken.“

1817 wurde Montgelas durch eine Intrige gestürzt. Damit trat der „fähigste Staatsmann, der jemals die Geschicke Bayern gelenkt hat“ ab (Michael Doeberl).


Die Säkularisation in Bayern

Für Montgelas stellte sich bei seinem Regierungsantritt 1799 die Tatsache dar, wie bereits in den vorherigen Kapiteln erwähnt, dass 56 Prozent des Territoriums des Kurfürstentums Bayern den Klöstern oder kirchlichen Fürstentümer gehörten. Diese bezahlten keine regulären Steuern, sondern nur freiwillige Leistungen an den Staat. Der Steuersatz für das Kurfürstentum wurde aus den Bauern und Handwerkern herausgepresst. Dass man natürlich so einen bayerischen Staat nach modernen Gesichtspunkten nicht aufbauen kann und konnte, ist nicht nur damals Montgelas klar gewesen, sondern sicherlich auch heute jedem vernünftigen Bürger. Deswegen versuchte Montgelas hier grundlegende Änderungen.

Bei seinem Regierungsantritt waren die Positionen eines Fürstbischofs, eines Abtes einer Fürstabtei oder Reichsabtei, eines Probstes einer Fürstprobstei u. v. ä. kirchlichen Organisationen, den nachgeborenen Söhnen des Adels und der Fürstentümer vorbehalten. Dass hier natürlich Zölibat u. ä. keine zentrale Rolle spielte sein nur ganz am Rande erwähnt. Montgelas störte es auch ungemein, dass es die kirchlichen Würdenträger ganz selbstverständlich hinnahmen, dass ein Teil ihrer Untertanen der Leibeigenschaft unterlagen. Wie im vorher aufgezeigten Kurz-Roformwerk von Montgelas wurde dies alles beseitigt. Erst durch Montgelas konnte ein Arbeitersohn, ein Bauer oder ein normaler Bürgerlicher Abt, Bischof oder gar ein Fürstbischof werden. Die Privilegien des Versorgungsinstitutes der nachgeborenen Adelssöhne wurde als Folge des Reichsdeputationshauptschlusses abgeschafft.

Manch einer der heute geschichtlich ungebildeten schreienden Wissenschaftler und Theologen hat offensichtlich vergessen, dass es eine sehr wichtige Tatsache gibt, nämlich lesen zu können. Deshalb sollte man hier, wenn man dieser Voraussetzung kundig ist, lesen und mit diesem Lesen die geschichtlichen Voraussetzungen der Säkularisation richtig definieren. Wie aus manchen Zeitungsartikeln im 200-jährigen Sakularisationsjahr zu entnehmen ist, vor allem im Raume der früheren Abteil Oberalteich, muss man feststellen, dass dort Geistliche tätig sind, die bis zum heutigen Tag des Lesens noch nicht ganz kundig sind.

Montgelas war nie ein Feind des Christentums, sondern er hat wie Romuald Bauereiss bereits in den vorherigen Absätzen erwähnt, darauf Wert gelegt, dass die Kirche in ihre ureigenste Stellung als Magd und Mutter der Gläubigen zurückkehrt. Was mich ganz besonders erschüttert und das muss ich in aller Deutlichkeit sagen, und hier nehme ich weder Bischöfe noch Kardinäle aus, ist, dass dies scheinbar bis zum heutigen Zeitpunkt noch nicht allen klar bewusst geworden ist. Die Säkularisation, die Montgelas in Bayern vor 200 Jahren durchführte, ist durch eine Reihe vor Vorschriften geprägt:

  1. Es seien keine Kulturgüter zu zerstören.
  2. Es sein überall Anstand und Benehmen an den Tag zu legen.
  3. Alle Wertgegenstände, ob es Handschriften oder Kunstschätze sind, seien unverzüglich nach München zu bringen, dort von Experten zu bewerten und den jeweiligen staatlichen Institutionen, wie beispielsweise Staatsarchiv, Bibliotheken u. ä. zuzuführen.

Für die Durchführung der Säkularisation wurden im Bayerischen Ministerrat Kommissare berufen. Hier in erster Linie die Kommissare Herr von Zentner, Herr von Branka und Baron von Aretin. Diese drei Kommissare, die man im heutigen Sprachgebrauch mit Staatssekretären vergleichen kann, waren beauftragt nicht nur mit der Durchführung der Säkularisation, sondern sie teilten sich auch die entsprechenden Aufgaben auf. Baron von Aretin war vor allem für Bibliotheken und Schriften zuständig. Wenn man also Montgelas die Vernichtung von Büchern vorwerfen will, da muss man sich fairerweise an Baron von Aretin wenden. Wenn man die Brutalität einer bayerischen Säkularisation brandmarkt, dann muss man sich mit der Person von Herrn von Branka beschäftigen, welcher in einem noch heute vorhandenen Schriftstück nicht nur bei den Klosteroberhäuptern, nämlich Äbten und Pröbsten, die Leibesvisitation anordnete, sondern auch darauf hinwies, dass diesen Herren die sicherlich sehr wertvollen Brustkreuze abzunehmen seien und last but not least muss man sich dann auch mit Herrn Zentner beschäftigen, der sicherlich ein enger Mitrarbeiter von Montgelas war; wie Montgelas 1817 feststellen musste, auch sein größter Verräter und Intrigant. Aber immerhin, Zentner was als Hauptakteur des allmächtigen Ministers Montgelas hier der Beauftragte.

Es sei hier vielleicht angemerkt, dass das Wort allmächtiger Minister, was immer wieder gebraucht wird, insofern falsch ist, da die letzte Entscheidung für alle Gesetze und Maßnahmen beim König lag.

Manch einer wird, wenn er diese Tatsachen sich vor Augen führt, sicherlich Montgelas in einem völlig anderen Licht sehen und wahrscheinlich ihm in den meisten Punkten Recht geben.

München rühmt sich heute, eine europäische Kulturhauptstadt zu sein. Vor der Säkularisation verfügten die Münchner Staatsarchive über Originale und Handschriften in einer Größenordnung von etwa 10.000. Nach der Säkularisation über eine Anzahl von Handschriften und wichtigen Dokumenten von 225.000. München hat also allen Grund entweder zu sagen, wir sind keine Kulturhauptstadt Europas oder aber Montgelas Dank zu zollen, den es bis zum heutigen Tag schuldig geblieben ist.

Es mag dahingestellt sein, dass im Rahmen einer Dezentralisierung wichtige Unterlagen, Handschriften, Schriftstücke, Bibliotheksinventare usw. in andere bayerische Gebiete verlagert werden sollten. Dies ist jedoch nicht eine Aufgabe eines längst verstorbenen Staatsgründers, sondern die Aufgabe der heutigen bayerischen Staatsregierung.

Nach 200 Jahren und dem Feiern des Gedenkens der bayerischen Säkularisation vor 200 Jahren ist es Aufgabe einerseits der Staatsregierung aber auch andererseits der lokalen Presse, ihrer Bürgerpflicht dahingehend gerecht zu werden, endlich einmal Verleumdungen, Unwahrheiten und Lügen aus der Welt zu schaffen.

Meines Erachtens ist es eine fundamental christliche Aufgabe, bei der Ausbildung von Theologen aller christlichen Religionen darauf hinzuweisen, dass man sich nicht damit aus der Verantwortung ziehen kann, indem man einem längst Verstorbenen alle Schuld für zugegebenerweise Missgriffe und Fehlleistungen der Säkularisation zu geben, sondern endlich einmal klar auch die eigenen Fehler bekennt und darlegt.

Montgelas hat, wie bereits im Vorgriff erwähnt, eine Gleichberechtigung zwischen Katholiken und Protestanten hergestellt. Die Juden wurden zwar besser gestellt, aber noch nicht gleichberechtigt. In den Konkordatsverhandlungen verlangte der Heilige Stuhl vom Königreich Bayern, dass diese Gleichberechtigung wieder aufgehoben wird und nur wenn Protestanten ausgenommen würden unterschreibe man das Konkordat, ansonsten nicht. Dies ist ein Punkt, den sich eigentlich alle bayerischen Protestanten einmal nicht nur vor Augen führen sollten, sondern sich auch damit wissenschaftlich beschäftigen. Wenn man dies tut, ist Kritik und unberechtigtes Beschimpfen eines Mannes, der die Gleichberechtigung der Religionen in Bayern herbeigeführt hat, vielleicht um ein Vielfaches einfacher.

Man könnte noch erwähnen, dass unter Montgelas alle die christlichen Bekenntnisse (Katholiken, Lutheraner, Calvinisten) in Bayern gleichberechtigt wurden, was umso nötiger war, als mehr als ¼ der Bayern Protestanten waren.

Über die christliche Einstellung von Montgelas sollte auch noch ein sehr gewichtiges Wort nicht vergessen werden.

Montgelas führte in Bayern den Pfarrkonkurs ein. Dies bedeutete, dass die weltlichen Geistlichen nicht nur eine explizite Ausbildung haben müssen, sondern auch für ihre Tätigkeit eine anständige und ordentliche Bezahlung erhalten müssen. Dies ist die Grundlage der Montgelas’schen Politik, die manch ein katholischer Geistlicher, der sich heute über Montgelas und die Säkularisation aufregt, scheinbar vergisst, dass er seine Dotierung und Ausbildung, und seine Lebensexistenz demjenigen verdankt, über den er sich mit geschichtlicher Unkenntnis oder Dummheit auslässt.

Da es Montgelas außerordentlich wichtig war, einen christlichen Glauben, sicherlich geprägt durch seine Ausbildung bei den Jesuiten in Nancy, zu vermitteln, hat er die SCHULAUFSICHT bis ins Jahr 1918, dem Ende der Monarchie, den weltlichen Geistlichen belassen. Diese Maßnahme war für ihn eine Garantie dafür, dass über die Schulaufsicht ein sicherlich nicht immer mit den Vorstellungen des Vatikans gleichzusetzender christlicher Glaube bei den jungen Menschen festsetzt und verwirklicht. Die Tatsache der Schulaufsicht bis 1918 wird von vielen Montgelas-Kritikern gelinde gesagt übersehen, oder damit ein Beitrag zur Verleumdung dieses grandiosen CHRISTEN und bayerischen Staatsmannes
herbeigeführt.


GESCHICHTE:

Eine ganz besondere, in meinen Augen nicht sehr christliche Rolle, spielte in dieser ganzen Angelegenheit König Ludwig I.

Es gibt gar keinen Zweifel darüber, dass sich der Ministerpräsident seines Vaters König Max. I. Joseph mit dem Kronprinzen nie verstand. Montgelas hatte immer die Idee durch eine zugegebenermaßen Schaukelpolitik erst einmal den bayerischen Staat zu formen und in einen lebensfähigen Zustand zu versetzen. Die weitere Überlegung war eine weitgehende Neutralisierung des Königreichs Bayern.

Die politische Ausrichtung Ludwig I. an das säbelrasselnde Preußen war Montgelas ein Greuel, weil er hier die Gefahr sah, dass Bayern in eine Vielzahl von Kriegen existenzbedrohender Art verwickelt wird. Dies ist sicherlich ein sehr schwer zu verstehender Punkt, da Montgelas selber zwischen Preußen, Österreich und vor allem Frankreich eine Politik betrieb, die Bayern vor Kriegen nicht verschonte aber last but not least zu einem arrondierten und lebensfähigen Staatsgebilde formte.

Ludwig I. hat zweifellos eine Klosterneugründungskampagne eingeleitet, bei welcher es natürlich sehr interessant ist zu beobachten, dass sehr viele der alten und übrig gebliebenen Klosterinsassen gar nicht mehr mitmachten wollten und sich lieber auf die ihnen von Montgelas zugedachte Seelsorge konzentrierte. Es ist sicherlich ein sehr großes Verdienst Ludwig I. mit seiner Klosterneugründungskampagne zum Schluss in Bayern erheblich mehr Klöster zu schaffen wie sie vor der Säkularisation bestanden haben. Dies ist natürlich von den Geschichtszunkundigen als die großartigste Leistung dieses Monarchen verstanden worden. Keiner darf jedoch glauben, dass sich König Ludwig I., die Geschichte beweist ja etwas ganz anderes, bereits zu Lebzeiten im Stadium der Seligsprechung befand. Ludwig I. wollte durch die Neugründungen von Klöstern einerseits die Montgelas’sche Politik fortsetzen, indem Klöster auf dem Bereich der Volksbildung und im Sozialgebiet tätig sein sollten, aber keinerlei weltliche Macht oder gar Versorgung von nachgeborenen Fürsten- und Adelssöhnen mehr haben sollten. Hier ist ein großer Widerspruch festzustellen, den sich alle Kritiker von Montgelas einmal hinter die Ohren schreiben sollten.

Die Ausstellungen, die Vorträge und die Diskussionen anlässlich der Gedenk der Gedenke der 200-Jahr-Feier der bayerischen Säkularisation sollten eines in den Mittelpunkt stellen, nämlich endlich einmal mit Geschichtsverfälschungen, Unwahrheiten und Verleumdungen aufzuhören und den gerechten Ideen und Vorstellungen ihre Aufmerksamkeit zu widmen.

Es ist doch heute völlig unverständlich und gar nicht auszudenken, dass einer der renommiertesten Orden der katholischen Kirche, nämlich die Gesellschaft Jesu – die Jesuiten – verboten wird, weil sie einen liberalen, in manchen Dingen vielleicht auch nicht dem heutigen Vatikan genehmen Standpunkt vertreten. Gott sein Dank sind auch in der Kirche der heutigen Zeit des 21. Jahrhunderts diese katastrophalen Zustände, die der Kirche sehr viel Schaden zugefügt haben, ein für alle mal zu Ende.

Rudolf-Konrad Graf Montgelas-Freiherr von der Heydte

 

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