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Das Schloss der Markgräfin Friederike Louise von Brandenburg-Ansbach in Schwaningen als Standortfaktor

Von Arno Störkel, Würzburg

Schloss Unterschwaningen, Sommerresidenz der Markgräfinnen, nennt es der Tourismusverband¹ . Sommerresidenz, na gut, nennen wir es einmal so. Das Phänomen Sommerresidenz ist sicherlich eine Entwicklung des Phänomens Jagdschloß, und dessen Ursprünge gehen noch ins Mittelalter zurück - viele kennen das achteckige Castel del Monte des Kaisers Friedrich II. von Hohenstaufen in Apulien zumindest vom Bild, und Fachleute meinen, dass sei schon ein Jagdschloss gewesen.

Funktion eines solchen Jagdschlosses war natürlich erst mal eine Behausung der herrschaftlichen Jäger nahe an den Jagdgründen zu sein, aber wie man schon am Castel del Monte sieht, ist da schnell das später so dominierende Element der Repräsentation dabei. Es ist immer mehr als eine bloße Übernachtungsmöglichkeit weit weg von der Residenz. Als Jagdschloss begann auch das Gebäude, das symbolisch wurde für das Phänomen Sommerresidenz, obwohl es bald darüber hinaus gewachsen ist - Versailles natürlich.

Wie das Jagdschloss zunächst als ländliches Refugium konzipiert, wurde es doch schnell eine komplette Alternative zum traditionellen Fürstenschloss. Zugrunde lag der Wunsch, den räumlichen und traditionsbelasteten Zwängen der herkömmlichen Fürsten- oder Königsresidenz in der Stadt zu entfliehen. Diese Schlösser waren ja meist bis in die Zeit nach dem 30-jährigen Krieg nur mühsam umgebaute Burgen oder bestenfalls Renaissanceschlösser. Den Vorstellungen von angemessener Repräsentation von Fürstenwürde, die mit der Erlangung des Status als Landesherren nach dem Westfälischen Frieden 1648 enorm gewachsen waren, konnten diese Gebäude nicht entsprechen.


¹ Gästeführerteam Unterschwaningen (Hg.), Unterschwaningen Erleben – Termine 2019, Faltblatt, Unterschwaningen o. J. , o. S.

„Was heißt Staat? Ich bin der Staat"

Diese Fürstengeneration fühlte sich immer weniger als die Landesväter, die inmitten ihrer Landeskinder streng aber gnädig, für alle sichtbar und ansprechbar, ihre gottgegebene Aufgabe erfüllten, für das Land zu sorgen, was immer das dann heißen mochte. Sie waren nun von Gottes Gnaden Herren dieses Landes, das ihnen zu dienen hatte - Württembergs Carl Eugen, der Schillerherzog, tönte selbstbewußt: "Was heißt Staat, ich bin der Staat"... Diese Abgehobenheit war in der traditionellen Residenz, meist ja nichts als ein altes Gemäuer, eingepfercht zwischen den Häusern der überall noch sehr mittelalterlichen Städte, nicht zu leben und vorzuführen. Das mußte was ganz Anderes her. Weg aus der Enge der großen Stadt und ihrer Bevölkerung, die IHREN König oder Fürsten sehen und gewissermaßen anfassen wollte.

Also ein Neuanfang auf der grünen Wiese, und zwar so, dass das Gebäude unzweideutig ausdrückt, was der Herrscher seinen Untertanen, großen und kleinen, zeigen will. Ein Ort, an dem sich alles um ihn dreht, und vormals mächtige Adelige um einen Platz kämpfen mußten in der Reihe derer, die ihm morgens Perücke, Rock oder Hose reichen durften. Das hat bekanntlich alles recht schnell abgefärbt von Versailles nach Deutschland - der Bayer baute sich Nymphenburg und Schleißheim, der Kurbrandenburger Potsdam und Charlottenburg, der Württemberger Ludwigsburg und so weiter. Und in Franken hatten die Bamberger Seehof, und die Bayreuther bauten sich die Eremitage. Die Ansbacher Markgrafen aber hatten nur Triesdorf mit seinem überaus bescheidenen Weißen Schloß, weiß Gott kein tauglicher Versuch, in der eigenen Gewichtsklasse mitzuhalten.

Natürlich wurde in mehreren Schritten versucht, die altmodische Renaissanceresidenz in der Stadt zu modernisieren und zu einem vorzeigbaren Sitz eines selbstbewußten altfürstlichen Hauses zu machen, aber das dauerte lange. In dieser Konstellation - die Markgrafen von Ansbach haben eine ewige Baustelle statt eines modernen Stadtschlosses und daneben nur das kleine, recht unmoderne Weiße Schloß in Triesdorf - in dieser Konstellation war die Situation Schwaningens reichlich seltsam. In einem - Verzeihung - entlegenen Winkel des Fürstentums gelegen, wurde ein Schloß gebaut, neu, ohne die belastenden Kompromisse eines Umbaus in der Enge einer Stadt. Ein Schloss in einer Größe und Ausstattung, die weit über das Format eines Sommerschlosses hinausging, und, wie Horst von Zerboni in seinem Schwaningen-Buch² feststellt, in Ausstattung und Qualität der Residenz in Ansbach nicht nachstand und in der Größe nur wenig. An Lustre, Ansehen und Bequemlichkeit ... eine Zierde der ganzen Landschaft , wie Ansbachs Hofhistoriker Gottfried Stieber³ preist.

Das klingt, als ob man Geld im Überfluss gehabt hätte oder zumindest so gelebt hätte, und das wurde ausgerechnet von einer Fürstin betrieben, deren Verantwortungsbewußtsein Zeitgenossen wie Nachwelt anerkannten. Warum sollte eine Fürstin ihren zukünftigen Witwensitz so opulent ausstatten, als bereite sie sich mit Genuß auf eine Zeit nach seinem Tod vor, eine Frau, der man eine außergewöhnliche emotionale Nähe zu ihrem Gemahl nachsagte, und warum baute sie so unverdrossen daran weiter, als sie schon verwitwet und Landesherrin war? Spekulationen über ihr Vertrauen in den schon als Kind höchst problematischen Sohn drängen sich auf, es sieht so aus, als wollte sie sich in jeder Hinsicht absichern für die Zeit, in der der Knabe einmal Herr sein würde - immerhin hat sie noch Tage vor seiner Volljährigkeit
den Großteil des Familienvermögens in Stiftungen vor ihm in Sicherheit gebracht. Sie wird wohl gewußt haben, warum.Hier aber ist nur wichtig, dass sie Schwaningen eben mit einem außergewöhnlichen Schlosskomplex ausstattete, der dann seine Funktion nie erfüllen durfte.


² Johann Schrenk (Hg.), Geschichte der Gemeinde Unterschwaningen, Gunzenhausen 2009
³ Gottfried Stieber, Historische und Topographische Nachricht von dem Fürstenthum Brandenburg-Onolzbach, Schwabach 1761, 2. Bd., S. 751 (Nachdruck Neustadt/Aisch 1994)

Schwaningen – ein Sommerschloss?

Als Sommerschloss war er eindeutig zu groß, was die Bauherrin schon damit bestätigte, dass sie die noch heute bestehenden Pavillons zu einem eigenen kleinen Komplex als eigenes "Sommerschloss" ausbaute. Bekanntlich hat sie das Ende der Bau- und Ausstattungsarbeiten nicht mehr erlebt, das Schloss hat ihr also nie als Lebensraum dienen können. Und wir können uns nur in Umrissen vorstellen, was die Anlage in Schwaningen für sie bedeutete, oder einmal bedeuten sollte, bevor sie erkannte, dass es für sie keine Zukunft mehr geben würde. Es wäre der Rückzug in ein stilles ländliches Refugium gewesen, in das sie sich, eine lebensfrohe, energiegeladene Frau von Mitte Dreißig, zurückgezogen hätte, nach Schwaningen, stille und fern von den Geräuschen der Welt.

Hoffte sie, die prächtige Anlage, bis hin zu den Schokoladentassen und den gestickten Servietten vollständig für einen glänzenden Hofbetrieb ausgestattet, dann doch noch mit Leben zu füllen, nur wie sollte das allein finanziell vor sich gehen, wenn sie einmal nur ihre eigenen, nicht eben knappen Mittel, aber nicht mehr die Staatsfinanzen zur Verfügung haben würde? Die Anziehungskraft ihrer Person, ihres Charmes und ihrer Kultiviertheit allein hätten nicht gereicht, aus Schwaningen einen Musensitz zu machen. Der gewaltige Rahmen einer wahrhaft fürstlichen Residenz auf dem Lande ging dann auf Friederike Louise über, als sie mit gerade 19 Jahren das Ganze als im Ehevertrag zugesicherte "Belohnung" für die Geburt eines Erbprinzen erhielt. Welche Rolle Schwaningen für sie spielte habe ich im Buch¹ dargestellt. Was die Schlossanlage für die Bewohner des Ortes bedeutete ist hingegen wohl noch nie angesprochen worden und ich denke, es lohnt sich, einen Blick darauf zu werfen.

Ein Jeder hat schon einmal die Geschichte gehört, die Revolution in Frankreich sei ausgebrochen, weil der König einen Großteil der Staatsfinanzen für seinen Hof ausgegeben hätte. Und in kleinerem Maßstab war das auch in Ansbach so - nicht das mit der Revolution, aber das mit dem Geld. Man sieht das heute nicht mehr so sehr als moralische Verfehlung, sondern als einen Zwang, es anderen Fürsten gleichzutun und seinen Status mit den Mitteln zu demonstrieren, die zu der Zeit eben galten. An einem Fürstenhof wurde also Geld ausgegeben, und wenn auch der größte Teil davon in den Taschen weniger Privilegierter landete, so blieb noch eine Menge für die kleinen Mitspieler übrig, von denen ein Hofbetrieb nicht Dutzende, sondern Hunderte brauchte.



¹ Arno Störkel, Friederike Louise – Prinzessin in Preußen, Markgräfin von Ansbach, Stegaurach 2018

Investition in die ländliche Entwicklung

Und das sollte nun nach Schwaningen kommen. Der ganze Ort, das waren in der Jahrhundertmitte 67 Haushalte² , was eine Zahl von irgendwo um die 500 Einwohnern bedeutete, da zu den Kindern auch die Knechte, Mägde und Tagelöhner als Mitglieder des Haushaltes ihrer Arbeitgeber galten. Grundbesitzer waren also etwa 50 Personen. Der Rest, einschließlich der größeren Kinder, war auf bezahlte Arbeit in irgendeiner Form angewiesen, und die war für die meisten nur saisonal geboten. Paradiesische Zustände versprach da die Existenz eines Hofbetriebs mit seinem enormen Bedarf nach Arbeitskräften. Niemand wird sich in Schwaningen während des Schlossbaus Illusionen gemacht haben darüber, wer die Kammerjunker, Oberhofmarschalls-Secretarii, Hofkammerräthe oder Oberstallmeister stellen würde, sobald es einmal zum Aufstellen eines Hofpersonals kommen würde - die würden natürlich alle aus Ansbach kommen, und es war nicht nur wegen irgendwelcher Vorurteile der "Großstädter" gegenüber den Leuten vom Dorf; dafür hatte niemand vor Ort die Qualifikation. Doch so ein Hof bestand aus viel mehr Leuten als den immer wieder zitierten 429 oder 465 Personen, die die Autoren durch schlichtes Zusammenzählen der Namen in den damals jährlich veröffentlichten "Staatskalendern" erhielten. Diese offiziellen Listen erfassten nämlich nur Personen bis auf eine gewisse Ebene hinab und ignorierten alle anderen darunter einfach.

Das wird am einfachsten sichtbar dort, wo es selbstverständlich neben Häuptlingen auch Indianer geben mußte: Die fürstliche Garde wird mit allen acht Herren Offiziers aufgeführt, aber ohne einen einzigen der etwa 60 Gardisten; und mit der Hofküche war es genauso. Die Listen nennen das Küchenpersonal mit Küchenmeister, Oberköchen, Mundköchen und Bratenmeister, aber ohne jegliches Hilfspersonal. Die tauchen nur punktuell einmal dort auf, wo der Hof von einer Residenz zur anderen zog, und genau aufgelistet wurde, wer mitzugehen hatte, und dann sind sie plötzlich einmal zu sehen, die Beyköche, Bratenwender, die Beyküchenmagd und die vielen gemeinen Küchenknechte, die in einer Zeit ohne elektrischen Strom oder Gas den Küchenbetrieb aufrecht erhielten, um die vielen Münder zu speisen, die täglich Anspruch hatten auf Verpflegung am Hof. Und die waren erstaunlich viele, denn es wurden überall Kräfte gebraucht, meist für einfache, grobe und schmutzige Arbeiten. Sie waren sogar die größte Gruppe der am Hof Beschäftigten, die vielen unqualifizierten, meist namenlosen Arbeitskräften, die den ganzen Betrieb am Laufen hielten.

Nicht nur in der Küche mußten große Feuer in Herd und Kamin unterhalten werden, auch anderswo im Haus mußte Feuer gemacht werden, und das auch, wenn ein Schloss eine bloße Sommerresidenz war. Eine Aufgabe war es zum Beispiel, von den Dienergängen aus, also von den Prunkräumen aus unsichtbar, die Öfen zu versorgen, und das natürlich lange, bevor die Herrschaften aus den Betten waren. Dazu gehörte die Holzhackerei, der Transport durch das Gebäude und natürlich das Entfernen von Asche, und das selbstverständlich ohne viel Schmutz - bitte schön. Obwohl wenig Klage zu erwarten gewesen wäre von denen, die das dann entfernen mußten: Die alltägliche Hierarchie in der Gesellschaft auch ganz unten spiegelte sich in der Rolle weiblicher Bediensteter wider: Der weit überwiegende Teil des Personals im Schloss bestand aus Männern.

Die wenigen Frauen am Hof hatten als Reinigungskräfte, hier als Fegmagd, in der Wäscherei oder als Hilfskräfte in Küche und Keller so untergeordnete Arbeiten, dass sie in den Personallisten gar nicht auftauchten. Wo sie die gleiche Arbeit wie Männer verrichteten, erhielten sie weniger Lohn; viele mussten froh sein, für Kost und Logis sowie ein Taschengeld arbeiten zu dürfen und diese Stellung so lange wie möglich zu behalten, da es ja keine Altersversorgung gab. In einer Zeit, als noch alle Arbeit mit der Hand gemacht werden musste und es noch keine Maschinen gab, wurden nicht nur große, sondern auch viele kleine fleißige Hände gebraucht. So fanden in Küche, Keller und Stall auch Dutzende von Knaben und Mädchen Arbeit. Meist waren es die Kinder von Bediensteten, die darauf hofften, ihnen so später einmal ihre eigenen Stellungen als Wäscherin, Lakai oder Stallknecht zu vererben, wie das mit den besser bezahlten Arbeitsplätzen am Hof oft geschah.


² Johann Bernhard Fischer, Statistische und topographische Beschreibung des Burggraftums Nürnberg, unterhalb des Gebürgs, 2. Bd, S. 385 (Nachdruck Ansbach 2008)

Heer von Arbeitskräften

Eine große Gruppe waren die Stallbedienten. Hunderte von Reit- und Zugpferden wurden in der Nähe des Hofes bereitgehalten, bescheidene Zugtiere für die Karren und Wagen und prächtige Zugpferde für die herrschaftlichen Kutschen. Dazu kamen die Reitpferde; Statussymbole, beliebte Geschenke unter Fürstlichkeiten, kostspielige Spielzeuge oder einfache Transportmittel von A nach B. Ein Heer von Stallbedienten hatten sie zu versorgen und das prächtige Reitzeug zu pflegen. Diem meisten Arbeitsplätze waren natürlich wieder einfachster Natur und drehten sich um das, was die vielen Tiere so fallen ließen.

Wenige konnten sich Illusionen machen, einmal eine der besseren Positionen zu erlangen, die eines Lakaien zum Beispiel. Wenn einer der Großen des Hofes jemand zu sich bestellte, das Hündchen der Markgräfin eine Vase zerbrochen hatte, die Stühle für Besucher aufzustellen waren, schmutzige Stiefel von der Jagd herumstanden, der Küchenmeister heute das Menu ändern sollte, immer dann war ein Lakai gefragt. Ein bescheidener Posten, doch auch er begehrt und oft in der Familie vererbt. Man hatte sein Auskommen und war als Träger der fürstlichen Livree doch über die Masse der Bedienten herausgehoben.

In einer solchen Livree liefen auch Andere herum, doch die Natur der Aufgabe machte das eine Arbeit für junge Männer, die körperlich belastbar sein mußten. Sesselträger und Läufer ... unentbehrliche Kräfte am Hof. Wo es etwas zu besorgen gab, etwas auszurichten oder schlicht die Ankunft einer Person anzukündigen, schickte man besser einen Läufer. Auch wer im Adel etwas auf sich hielt, steckte einen jungen Mann in das typische Läuferkostüm mit Röckchen, Schärpe und Stab. So sorgte der Läufer in seiner Livree in den Farben seines Herrn
für dessen optische Präsenz sowohl im Schloss wie draußen auf der Straße - in Schwaningen natürlich keine große Priorität. Und auf dieser Straße wollte sich niemand die feinen Schuhe und Garderobe besudeln, denn die Straßen waren in der Stadt kaum sauberer als im Dorf, also mußte eine Sänfte oder Tragstuhl her, und den mußte jemand eben tragen (oder besser - zwei).

Diese ganze feine Garderobe erforderte neben der Arbeit einer Menge fleißiger armer Seelen in der Wäscherei auch die Sorge etwas qualifizierter und damit höher gestellter Kräfte, und da waren immerhin einige weibliche Positionen darunter. Die Pflege, das An- und Ablegen von Garderobe, Schuhen und Accessoires erforderte die Hilfe mehrerer Frauen (nur der Friseur war noch lange ein rein männlicher Beruf). Die Arbeit mit all den schönen Dingen war selbstverständlich ein Traumberuf für Mädchen. Sie bedeutete aber auch, 24 Stunden für die Bedürfnisse und Launen ihrer Herrin zur Verfügung zu stehen, und, mit etwas Pech, auch denen privilegierter Herren.

Gesuchter Job: Husar

Ein Gebäude wie ein Schloss stand in seiner Umgebung wie ein 5-Sternehotel in einem armen Entwicklungsland und brauchte deshalb entsprechendes Securitypersonal, das gleichzeitig, wie jedes moderne Secutitypersonal, die herausgehobene Stellung des Hausherren zu demonstrieren hatte; eine Leibgarde im Schloss und Wachsoldaten draußen. Tätigkeiten voller Langeweile und ohne Stress, solange alle Knöpfe an der Uniform schön poliert waren. Und trotzdem war der Soldatenberuf selbst in Friedenszeiten erstaunlich unbeliebt und für einigermaßem gut gewachsene junge Burschen fast immer offenstehend. Das galt weniger für den gesuchten Job als Husar, herrschaftlicher Kurier und Eskorte bei Ausflügen - privilegiert und oft in der Nähe der Herrschaften, wo immer wieder mal etwas Besonderes für einen abfiel. Dass mal was für einen abfiel, war ein Aspekt, nach dem ein jeder im Schloss Beschäftigte schielte. Da gab es von allem so viel, das würde doch gar nicht auffallen, wenn man da ... Es fiel aber durchaus auf bei der Menge von dem, was da so täglich verschwand, und von vielen Höfen haben sich entsprechende Vorschriften dazu erhalten. Denn, wie der Würzburger Fürstbischof klagte, die Leute schlöppten alles hinweg.

Der Weg von der Küche zur Tafel war regelmäßig von Wegelagerern bedroht, wenn bey Tafel-Zeiten Schüsseln oder Teller mit .. Speise vertragen, und in die Winckel gesetzet, also in Sicherheit gebracht oder gar von denen Laquaien und Bedienten abgelehret werden...
und daselbe geschah, weniger dreist, auch auf dem Rückweg: bey Abtragung der Speisen und Confect war man wieder am einstecken und verschleppen... Und dann wurde die Beute in Winckel-Mahlzeiten und Zech-Compagnien verzehrt, wenn jeder etwas mitbrachte: Brätst Du mir eine Wurst, so lösch ich deinen Durst.

Oder die Beute wurde, schon schwieriger, aus dem Haus geschafft. Die Familien der vielen unteren Bedienten waren so sehr darauf angewiesen, dass der Vater etwas von seinem reichlichen Essen am Hof mitbringen würde, dass vielerorts offiziell ein Auge zugedrückt wurde, solange man es nicht übertrieb. Beliebt waren natürlich auch Objekte wie Wein oder Wachs-Lichter, obwohl da die Obrigkeit keinen Spaß mehr kannte. Und doch zeigt die jahrelange Hehlerei mit "abgezweigtem" Wein der Markgräfin hier in Schwaningen, dass dergleichen reibungslos vor sich ging, wenn nur Personen weit genug oben mit daran verdienten - ein offenbar zeitloses Phänomen. Es waren also in erster Linie Beschäftigungsmöglichkeiten, die das Dorf im Schloss sah, mit ihren offiziellen und inoffiziellen Einkünften. Es war aber auch die Nähe zur alles entscheidenden Person des Herrschers, von dem man Hilfe erwartete. Das wird selten genug geklappt haben, aber es blieb die große Hoffnung für Viele auf ein Almosen, einen Posten, die Korrektur einer ungerechten Behördenentscheidung oder einen Auftrag.

Wirtschaftsbetrieb und Standortfaktor Schloss

Dieser letzte Aspekt, für moderne Betrachter eine primärer Aspekt jeder Ansiedelung einer großen Organisation am Ort, spielte eine ganz erstaunlich geringe Rolle. Der Hof würde Holz in Massen brauchen und Transport dafür vom Wald ins Dorf; große Mengen aller Art von Lebensmitteln, Fleisch, Gemüse, Brotgetreide, Bier und so weiter. Durch die weitgehende Selbstversorgung des Hofes mit seinen eigenen Waldungen, dem großen Küchengarten, der Brauerei und der Ochsenmästerei werden es aber in Schwaningen nur sehr wenige gewesen sein, die ihre Zukunft in der Funktion eines Hoflieferanten sehen durften. Es wurde ja bekanntlich nichts aus den ganzen Erwartungen, die der Bau des Palais in den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts geweckt hatte, als zahlreiche Handwerker und Tagelöhner als Bauhelfer ihr Brot gefunden hatten und vage Hoffnungen in der Luft lagen, jetzt würden Arbeitsplätze in Fülle entstehen.

Die Erwartungen, die der Bau und die Innenausstattung der Gebäude ausgelöst hatten, sind ja nie realisiert worden: Markgräfin Christiane Charlotte, die den Bau als ihren Witwensitz so opulent hergerichtet hatte, war zwar früh verwitwet (1723), aber durch die Übernahme der Regentschaft an die Residenzstadt gebunden und nie "in Ruhestand getreten", so dass nach Abschluß der Arbeiten von der gewaltigen Anlage kein großer wirtschaftlicher Vorteil für das kleine Dorf mehr übrig blieb. Ein regulärer Hofbetrieb fand ja höchstens einmal punktuell statt,
und da brauchte man höchstens eine Handvoll Aushilfskräfte vor Ort.

Der Moment, als die Übertragung an Friederike 1733 geschah und bekannt wurde, muß im Dorf gewaltige Erleichterung ausgelöst haben.
Wenn auch das höchst jugendliche Alter des Markgrafen, der bei der Übertragung von Schwaningen an seine Frau ja gerade erst einmal 20 geworden war, keine Hoffnungen auf eine Aktivierung des Schlosses als Witwensitz wecken konnte, besaß Friederike die Anlagen ja schon von 1733 an als reguläres Eigentum, und die allgemein bekannte eheliche Disharmonie mochte Spekulationen auf eine räumliche Trennung des Herrscherpaares wecken, die ohnehin bald an verschiedenen Orten wohnten - sie in Triesdorf, er in Gunzenhausen.

Wenn sie dann nach Schwaningen ziehen würde, wo die wahrlich fürstlichen Baulichkeiten so unendlich viel mehr boten als im bescheidenen Triesdorf, würde das die Sanierung des ganzen Ortes bedeuten. Doch erneut wurde nichts aus den Erwartungen. Das in seiner dörflichen Umgebung wohl besonders prächtig wirkende Palais wurde nur ein paar mal bewohnt, wurde allmählich unmodern und mehr und mehr ungepflegt. An eine Reaktivierung glaubte bald keiner mehr. Es bot nur wenigen Personen für gelegentliche Reinigungs- und Wartungsaufgaben Arbeit.

Fazit: Wirtschaftliche Enttäuschung

Und Friederikes "neues Schloss"? Angesichts der Umstände, die sie zum dauerhaften Umsiedeln bewegt hatten, gewissermaßen eine Zwangseinweisung, um ihren traurigen Zustand vor der Welt zu verbergen, war an einen Hofbetrieb, der ja von einer gewissen Öffentlichkeit lebte, nicht zu denken, und entsprechend klein war der "Hofstaat": Gerade einmal vier Personen nennen die Hofkalender als Bediente in Schwaningen, und eine Garderobe-Jungfer, die wohl nicht aus dem Ort stammte. Dazu vier Lakaien unbekannter Herkunft, eine Handvoll Küchenpersonal und eine Kehrmagd oder zwei, ein paar Stallknechte und ein Einheizer, viel mehr werden es nicht gewesen sein, dazu saisonal Arbeit für einige Hilfskräfte im Garten und Park. Ein Auskommen für paar kleine Leute vom Dorf, aber kein "beschäftigungspolitischer Schwerpunkt" am Ort. Das Schloss und seine Anlagen waren für das Dorf ein Jahrhundert lang - und vielleicht länger - die Grundlage für ein stolzes Gefühl, Teil von etwas Besonderem zu sein. Aber, wie man so prosaisch sagt, davon konnten sie sich nichts kaufen. Das Schloss der Markgräfinnen war auch eine zunehmend enttäuschte Hoffnung auf eine gesicherte wirtschaftliche Zukunft unter den Flügeln der das brandenburgische Wappen tragenden Engel, die sie noch am Hoftor so stolz ausbreiten.

Festvortrag von Dr. Arno Störkel (Würzburg) in der Hofkirche Unterschwaningen auf Einladung des Fördervereins Schloss Unterschwaningen e. V. umrahmt mit Orgelmusik durch Bezirkskantor Steffen Böttcher aus Wassertrüdingen.

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