Markgräfin Christiane Charlotte von Brandenburg-Ansbach |
von Dr. Andrea Schödl Einleitung „.. die ohnvergeßliche Markgräfin Christiane Charlotte übernahm daher die vormundschaftliche Regierung und führte sie bis zum Jahr 1729 mit ausnehmender Weisheit und Klugheit fort.“ Statistische und topographische Beschreibung des Burggraftums Nürnberg, unterhalb des Gebürgs; oder des Fürstentums Brandenburg-Anspach, hg. v. Johann Bernhard Fischer. 2 Bde. Ansbach 1790. Nachdruck Ansbach 2008, Bd: 1, S. 68.
In der Trauerrede ihres Gesandten Staudachers heißt es: Welche Persönlichkeit verbirgt sich hinter diesen beinahe stereotypen Superlativen? Fürstin – Mutter – Frau Die Jugend: Ungewöhnlich für die Prinzen- und Prinzessinnenerziehung jener Zeit war, dass Christiane Charlotte in Anwesenheit ihrer Mutter und deren Hofdamen unterrichtet wurde. Diese stete Kontrolle förderte sicherlich Christiane Charlottes Aufmerksamkeit, schulte ihre Rhetorik, gab ihr eine feste, „heroische“ Stimme und stärkte ihr Selbstbewusstsein, so dass sie keine Scheu hatte, öffentlich Fragen zu stellen. In den Nachrufen Christiane Charlottes, heißt es, dass es ihr nicht genügt habe, „von einer Materie überhaupt informiert zu sein, sondern es mußte alles und jedes mit allen Fundamenten Ihr auf das deutlichste actenmäßig gezeiget werden“. Dabei hätte ihr großer Sachverstand das Gefühl erweckt, als wäre sie im „Cabinet und unter beständiger Tractierung deren Staats- und Welthändel von der zärtesten Jugend an aufgezogen worden“. Tatsächlich deutet vieles daraufhin, dass Christiane Charlotte schon von Jugend auf sehr stark politisch interessiert war. Obwohl sie bei ihrer Eheschließung mit Markgraf Wilhelm Friedrich im Jahr 1709 erst 15 Jahre alt war, tritt sie schon nach kurzer Zeit mit spezifischen Aufgabenfeldern in Erscheinung. So gehen die Gründung einer Bibliothek und die Förderung des Schulwesens im Markgraftum Ansbach auf ihre Initiative zurück. Außerdem kümmerte sie sich um die architektonische Ausgestaltung der Residenz. In vielen politischen Fragen stand sie ihrem Mann als Ratgeberin zur Seite und übernahm während seiner Abwesenheit die Regierungsstellvertretung. Über diese aktive Beteiligung am politischen Geschehen war es ihr möglich, ein politisches Selbstverständnis zu entwickeln, so dass sie nur wenige Tage nach dem Tod ihres Gatten ihre autonome Stellung als Obervormundschaftsregentin gegenüber dem Bayreuther Markgrafen selbstbewusst definieren konnte. Bei politisch unerfahrenen Frauen wäre ein solch souveränes Verhalten nur schwer denkbar gewesen. Im Gegensatz zu anderen jung vermählten Prinzessinnen besaß Christiane Charlotte von Anfang an eine nicht zu unterschätzende Unterstützung am Ansbacher Hof. Ihre Mutter, Eleonore Juliane, begleitete sie nach der Heirat mit Wilhelm Friedrich von Ansbach ins Markgraftum und blieb dort bis zu ihrem Tod am 4. März 1724. Während andere Bräute ihre Position innerhalb der neuen Hofgesellschaft erst behaupten mussten, hatte Christiane Charlotte eine Ratgeberin zur Seite, der sie vertrauen konnte und die die Situation vor Ort gut kannte. Schließlich hatte die Württemberger Herzogin Eleonore Juliane als Tochter des Ansbacher Markgrafen Albrecht V. (*1620, +1667) bis zu ihrem 19. Lebensjahr im Markgraftum gelebt. Allerdings muss man auch erwähnen, dass der Tod der Mutter im März 1724 zwar einen persönlichen Verlust für Christiane Charlotte darstellte, aber keinen Einschnitt in ihrer Regierungstätigkeit. Vormundschaftsregierung Als Markgraf Wilhelm Friedrich von Ansbach am 7. Januar 1723 starb, hinterließ er nicht nur einen knapp elfjährigen Sohn, sondern auch eine missverständliche Regelung der Obervormundschaftsregierung. Stein des Anstoßes waren vor allem die am 23. Februar 1721 ausgefertigten nachträglichen Dispositionen des Ansbacher Markgrafen zu seinem bereits 1717 erlassenen Testament1. Darin benannte er seine Gattin Christiane Charlotte zwar zur alleinigen Vormundschafts- und Landesregentin, setzte ihr aber mit dem Markgrafen Georg Wilhelm von Bayreuth und dem Landgrafen Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt zwei Mitobervormünder zur Seite, mit denen sie sich in wichtigen Reichs- und Kreisfragen beraten sollte. Christiane Charlotte interpretierte die Vormundschaftsregierung von Beginn an als eine „Ihro hauptsächlich anvertraute Administration“2. Sie beanspruchte nicht nur die Erziehungsvollmachten über ihren Sohn, sondern auch die uneingeschränkte Landesregierung. Während die Vormundschaftsregentin sich mit dem Landgrafen Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt sehr bald einigte, geriet sie mit ihrem Bayreuther Vetter Georg Wilhelm in einen scharfen Konkurrenzkampf. Vordergründig ging es zwar um die Frage der Obervormundschaft über den minderjährigen Erbprinzen Carl Wilhelm Friedrich (*1712, reg. 1729, +1757) und sein verwaistes Fürstentum, doch unter der Hand spielten reichspolitische Überlegungen und familieninternes Kalkül die eigentliche Rolle. In Ansbach hegte man gegen den Bayreuther Vetter wegen der seit Jahrzehnten schwelenden Differenzen um das gemeinsam geführte Kreismitausschreibeamt und die seit den Hausverträgen von 1603 ungeklärten Grenzziehungen in den gemeinsam verwalteten Ämtern (z.B. Heilsbronn) großes Misstrauen. Christiane Charlotte befürchtete, dass der Bayreuther Markgraf seine Mitregierung in der Vormundschaft nutzen könnte, um ungeklärte Macht- und Territorialfragen für sich zu entscheiden. Der Bayreuther Markgraf dagegen wollte im Fall eines Ablebens des minderjährigen Erbprinzen sich den Zugriff auf das Ansbacher Territorium vor Preußen sichern. Tatsächlich musste er seit den preußischen Versuchen, in die Kulmbacher Sukzession einzutreten (1703-1722), um das Ansbacher Erbe fürchten. In dieser Situation zeigte sich Christiane Charlotte war eine ungewöhnlich intelligente Frau mit analytischem Blick für komplizierte Situationen. Scharfsinnig durchleuchtete sie die Strategien ihrer Kontrahenten und entwickelte eigene Gegenkonzepte. Allerdings zählte kluge Kompromissbereitschaft nicht immer zu ihren Wesenszügen. An einmal gewonnenen Überzeugungen hielt sie fest und überraschte damit Freund wie Feind. So dass sich zeitweise nicht nur der Bayreuther Markgraf, sondern auch der englische König und der Wiener Kaiserhof sich durch das Selbstbewusstsein Christiane Charlottes irritiert zeigten. In die Rolle der zu Tode betrübten, lethargisch trauernden Witwe, wie sie der Bayreuther gern gesehen hätte, ließ sich Christiane Charlotte nicht drängen. Vielmehr sprach aus ihren Briefen, Anordnungen und Vorgehensweisen das Selbstbewusstsein einer Frau, die wusste, dass sie der geeignete Mann für das Land und seinen Erben war – keineswegs gewillt, sich diese Position aufgrund ihres Geschlechts streitig machen zu lassen. Jede Geschlechterdiskussion wehrte sie deshalb von Anfang an ab und ließ es auch nicht zu, dass sie die im Regulativ vom 17. Juli 1723 auferlegten Einschränkungen im Regierungsalltag beeinträchtigten. So suchte sie souverän und vertragskonform in wichtigen Reichs- und Kreisfragen, bei wichtigen Personalwechseln sowie bei der Vergabe von Ritterlehen die Zusammenarbeit mit den Mitobervormündern und lieferte die jährlichen Berichte über die Staatsfinanzen und die Erziehung des Erbprinzen ab, wenn auch nicht in nicht ganz regelmäßigen Abständen. Letztlich könnte man Christiane Charlotte einen ausgeprägten Machtwillen attestieren, doch resultierte dieser nicht aus egoistischem Ehrgeiz, sondern aus einem ehrlichen Pflichtbewusstsein für Sohn und Land. Die Erfahrungen früherer Vormundschaften, insbesondere der Verlust von Territorial- und Herrschaftsrechten, bestärkte sie in ihrem Tun. So ist letztlich an ihrer Integrität nicht zu zweifeln. Dies zeigte sich vor allem, als 1728 sich die Zeichen ihrer schweren Erkrankung mehrten. Sie klammerte nicht an ihrem Amt, sondern leitete unverzüglich Maßnahmen zur Regierungsübergabe an ihren Sohn ein. Dazu gehörte nicht nur die standesgemäße Hochzeit ihres Sohnes Carl Wilhelm Friedrich mit der 2. preußischen Prinzessin Friederike Louise, die sie noch im Jahr 1726 mit dem Hinweis auf die Jugend ihres Sohnes abgelehnt hatte, und die ordnungsgemäße Übergabe der Regierung an ihren Sohn mit dem Tag seiner Volljährigkeit (am 13. Mai 1729), sondern auch die Tatsache, dass sie in den letzten beiden Regierungsjahren versuchte ihre begonnenen Projekte zum Abschluss zu bringen und keine neuen anzugehen. In politischer Hinsicht markierte Ihr Tod einen deutlichen Einschnitt: Das markanteste, aber sicherlich nicht das einzige Beispiel ist hier ihre Absicht, im Markgraftum Ansbach eine Universität zu gründen. Dazu hatte ihr Kaiser Karl VI. am 16. Juni 1726 das Privileg erteilt, was als große Gunstbezeugung gegenüber der Mf verstanden werden muss. Christiane Charlotte hatte daraufhin einen Stiftungsfond gegründet: Ihr Sohn, Markgraf Carl Wilhelm Friedrich, erkannte die großen Chancen eines solchen Forschungszentrums im Markgraftum nicht und verfolgte das Unternehmen nicht weigert. Die Gründung der Universität Erlangen (1741) im benachbarten Markgraftum Bayreuth machte das Privileg der Markgräfin schließlich obsolet. Christiane Charlottes Pläne zur Gründung einer Universität zeigen schlaglichtartig, dass die Markgräfin in all ihren Unternehmungen große Konzepte verfolgte. Sie engagierte hochkarätige Beamte und Künstler, um einen Erfolg durch Qualität sicherzustellen. Für wichtige Staatsporträts holte sie beispielsweise den bekannten Maler Johannes Kupezky, der schon den Prinzen Eugen von Savoyen und Reichsvizekanzler Friedrich Karl von Schönborn porträtiert hatte. Auch scheute sie sich nicht, in Vormundschafts- oder Reichs- und Kreisangelegenheiten gegenüber anderen Mächten selbstbewusst aufzutreten. Nicht zuletzt wegen ihrer außenpolitischer Erfolge, wie zum Beispiel den durch sie deutlich verbesserten Vergleich mit der Ritterschaft Altmühl (23. April 1725), den ihr Gatte bereits verhandelt hatte, erarbeitete sie sich ein Renomée auf europäischer Ebene und erhielt zahlreiche Ehren- und Gunstbezeigungen von anderen großen Staatsmännern. Schlussbemerkung Sie war eine Krone unter den Fürstinnen, ein Morgenstern unter den leuchtenden Sternen, ein Diamant unter den edlen Steinen“. 1Zum Vormundschaftsstreit
vgl. Schödl (2007): Frauen und dynastische
Politik, S. 357-470. Dr. Andrea Schödl hielt dieses Referat am 28. August 2009 in der
Villa Sandrina anlässlich der Vorstellung des Sonderdrucks Nr. 7.
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